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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr
Autoren: Anne Chaplet
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gewohnheitsmäßigen Gang, dachte Paul – von Katastrophe zu Katastrophe. Nur gestern konnte man ausnahmsweise mal ein freudiges Ereignis begrüßen: Kevin und Carmen hatten endlich die wohlverdiente Abreibung bekommen. Karlheinz Becker veranstaltete ein Strafgericht, das man bis oben zum Friedhof hörte. Die beiden lieben Kleinen hatten einen Brandsatz in den Rübenkeller von Ortsvorsteher Wilhelm geworfen – eine Flasche mit Benzin und Lunte. Diesmal nicht, wie damals bei Paul, um einen Brandanschlag vorzutäuschen. Bei ihm hatten sie nur geübt. Bei Wilhelm, der sie einmal abends erwischt hatte, als sie versuchten, mit dem Stielkamm von Lieselotte Becker den Zigarettenautomaten zu knacken, meinten sie es ernst.
    Wilhelm hatte die Kinder weglaufen sehen und die Sauerei entdeckt. Entzündet hatte sich auch diesmal nichts. Zu erfolgreicher Brandstiftung gehörte eben ein bißchen mehr als bloße Bosheit.
    »Gottfried«, sagte Paul, an dessen Pudelmütze sich Eiskristalle gebildet hatten, »ich vermisse den Alten Fritz.«
    Die beiden Männer lehnten sich auf ihre Schneeschieber und sahen einander an.
    Willi schlurfte vorbei, Mariannes Mann, wie immer mit Gummistiefeln unten und Mützchen oben, auf dem Weg zum Zigarettenautomaten. »Wolltest du dir nicht das Rauchen abgewöhnen, Willi?« fragte Gottfried.
    »Das war doch dein Vorsatz zum neuen Jahr, komm, ich weiß das doch.« Paul grinste »Naut waaßte«, brummte Willi, steckte die Münzen in den Schlitz und zog sich eine Packung R 6. »Goar naut.«
    In Pauls Haus brummten die Öfen. Später, beim Mittagessen, las er es in der Zeitung: Aeros gab heute seine letzte Vorstellung in Berlin. Aeros, der frühere Staatszirkus der DDR, war pleite.
    Er mußte Karen anrufen.
    Und Anne? Noch nicht, dachte er abgeklärt. Noch nicht.

Nachbemerkung
    An dieser Geschichte ist alles erfunden – Personen, Orte, Taten. Nur nicht die deutsche Geschichte. Die Geschichte der DDR und ihres Nachlasses, all die Aktenberge und Papiersäcke, in denen noch viele Schicksale verborgen liegen. Es gibt und es gab sie – die ausspionierten Ehefrauen. Die Spitzel. Die kollaborierende Westprominenz. Anwälte, denen man nicht trauen konnte. Und eine konspirative Wohnung namens ›Ellen‹.
    Auch das »Trapez« in Frankfurt existiert – es heißt nur anders. Seine Artisten sind, soweit ich weiß, über jeden Verdacht erhaben.
    Ohne meine Verlegerin und meinen Mann wäre dieses Buch nie geschrieben worden. Es ist meinen Freundinnen, meiner Schwester und meiner Mutter gewidmet – alles versierte Krimileserinnen.
     
    Anne Chaplet, Herbst 1997
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