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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr
Autoren: Anne Chaplet
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einmal eingelassen haben mochte: Sie machte sich nicht mehr gemein. Und hatte den Mut, sich einem Erpresser zu widersetzen. Karen hatte eine Ahnung davon, wie schwer ihr das gefallen sein mochte.
    »Matern klapperte, meiner Quelle zufolge, mindestens drei Adressen pro Tag ab. Manche besuchte er mehrmals. Und manche seiner Opfer steckten ihm schon an der Haustür einen gut gefüllten Briefumschlag entgegen«, berichtete Karen emotionslos.
    »Ich habe ihn plötzlich wieder so gehaßt wie damals. Er zerstört Leben. Er tötet. Wenn schon nicht den Menschen, dann doch seine Seele.« Die Stimme hatte gezittert. »Ich mußte es tun, Karen.«
    »Nein, mußtest du nicht«, hatte sie mal um mal dieser körperlosen Stimme geantwortet, die von Minute zu Minute mehr der Vergangenheit angehörte. Nein! hatte sie gedacht, jedesmal mit größerer Verzweiflung. Wir hätten ihn drangehabt. Mit diesen Informationen hätten wir ihn drangekriegt.
    Paul sah den Kampf auf Karens Gesicht. Wieder war es Kosinski, der ihn mit warnend gehobenen Augenbrauen davon abhielt, etwas zu sagen. Oder etwas zu tun.
    »Wir hätten Leo Matern nie belangen können wegen seiner Spitzeleien und Verrätereien, die er im Auftrag des MfS in der DDR unternahm. Vielleicht«, Karen nickte zu Anne hinüber, »wenn Sie ihn angezeigt hätten, Frau Burau.« Anne machte eine abwehrende Geste. »Aber auch das wäre äußerst fraglich gewesen. Mit diesem Material aber«, sagte Karen und klopfte auf den Briefumschlag, »hiermit hätten wir ihn gekriegt. Unter Garantie.«
    »Wenn ihn nicht vorher jemand anders gekriegt hätte«, sagte Kosinski trocken, der sich da nicht so sicher war.
    »Genau«, sagte Karen müde.
    »Matern hat seinen Mörder in Frankfurt getroffen. Schön und gut – aber wie kam der zum Weiherhof?« fragte Paul.
    »Der Mörder hatte es nicht schwer, Matern mit dem Weiherhof in Verbindung zu bringen, Paul.«
    Wo Leos Auto gemeldet war, ließ sich leicht herausfinden.
    »Bei mir«, sagte Anne.
    »Genau.«
    »Einen Fremden oder ein fremdes Auto hat man im Radius von zwanzig Kilometern um den Weiherhof nicht gesehen«, sagte Kosinski sachlich.
    »Ein Fahrrad.« Karen holte tief Luft und lehnte sich an die Theke, vor der sie noch immer stand. Sie war vor Müdigkeit so schwer, daß sie das Gefühl hatte, langsam im Boden zu verschwinden. Zentimeter für Zentimeter.
    »Der Mörder hat die Strecke von Frankfurt in die Rhön mit dem Fahrrad zurückgelegt?« Selbst Paul, der diesbezüglich einiges gewohnt war, bezweifelte das.
    »Nein«, entgegnete Karen. »Vom Parkplatz neben dem ›Nahkauf‹ in Bad Moosbach aus.« Dort hatte der Täter sein Auto geparkt und das Fahrrad aus dem Kofferraum geholt.
    Kosinski nickte bedächtig und zündete sich eine Zigarette an. So konnte das aufgehen, das Rätsel: daß nämlich niemand ein fremdes Auto oder eine fremde Person gesehen hatte. Wohl aber einen Fahrradfahrer, der mit beachtlicher Geschwindigkeit durch die Dörfer gerast war.
    »Es wurde mehr als einmal nachts und in den frühen Morgenstunden ein Radfahrer gesehen«, sagte er. »Schwarz gekleidet. Und vor allem, das war das auffälligste, mit einer enganliegenden Mütze über dem Kopf.«
    »Mit einer Balaklava«, ergänzte Paul und lachte. Er wußte jetzt, wer der Fahrradfahrer war, dem er in den letzten Wochen begegnet war und der sogar ihn überholt hatte.
    »Eine was?« fragte Rena.
    »Balaklava heißt ein kleiner Hafen an der Südwestküste der Krim«, sagte Paul, dessen Hirn fieberhaft sortierte, wo und wann genau er den Vermummten gesehen hatte. »Die Mütze läßt nur Schlitze für Augen, Nase und Mund frei. Damit schützten sich die Soldaten im Krimkrieg gegen die furchtbare Kälte.« Im Winter 1855. Die Kälte hatte fast mehr Opfer gefordert als der Krieg selbst.
    »Das Ding fällt unters Vermummungsverbot«, grummelte Kosinski. »Das schützt nicht nur gegen Kälte, sondern auch vor Wiedererkennung.«
    Karen unterbrach ihn. »Er hat Leo Matern beobachtet. Seine Gewohnheiten studiert. Gesehen, wie er sich eines Abends durch die Hintertür in den Hofladen einließ.«
    »Leo hatte einen Schlüssel«, sagte Anne geistesabwesend. Wieso hatte Dagobert den Fremden nicht verbellt?
    »Er benutzte ein Nachtsichtgerät aus sowjetischen Armeebeständen«, sagte Karen, als ob sie Annes Gedanken gelesen hätte. »Und er war geduldig. Er hat Leo außerhalb des Hofes abgefangen, als der in den frühen Morgenstunden den Hof zu einem Spaziergang verlassen hatte.«
    »Leo
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