Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
Burau?« Ihre Stimme klang unendlich müde.
    Es war Rena, die das Radio zum Tisch brachte, in dem man auch Kassetten abspielen konnte. Und es war Rena, die Karen am Arm nahm und mit zum Tisch brachte. Damit sie sich endlich setzte.
    »Karen, Karenina«, hatte David ihr mit Verzweiflung in der Stimme aufs Band gesprochen, »Leo Matern war ein Verbrecher, er war ein Mörder, er war ein Monster.« Aber selbst er schien zu wissen, daß auch Monster ein Recht auf ein faires Verfahren haben. Sonst hätte es dieses dumpfe, dieses schreckliche Geräusch nicht gegeben, das die Aufzeichnung auf dem Band beendete. »Wer war das?«, fragte Kosinski in das Schweigen hinein, in dem man Rena atmen hörte. Und hörte, wie sich Paul mit der Hand durchs Haar strich. Wieder und wieder.
    »Ellens Freund«, sagte Karen mit belegter Stimme.
    »Daniil Gratschow?« fragte Kosinski ungeduldig. Karen stützte ihren Kopf auf die rechte Hand und schüttelte ihn langsam.
    »Ich kenne keinen Daniil Gratschow. Er nannte sich David Wlassow.« Es war wohl doch ein Pseudonym gewesen. Er hatte sie, so schien es jedenfalls, belogen. Aber das zählte jetzt nicht mehr.
    »Der Mörder von Leo Matern ist also gegen den Baum gefahren«, sagte Kosinski, der schon seit einer Stunde nicht wußte, was er mit seinen nervösen Fingern machen sollte, und deshalb den dicken Kater Boris auf den Schoß genommen hatte. Ihm waren die Zigaretten ausgegangen.
    »Ich hasse Selbstjustiz!«
    »Ich auch«, sagte Karen leise. Vor allem, dachte sie bitter, wenn ich es hätte verhindern können.
    »Der Mörder ist gegen den Baum gefahren, während er mit Ihnen telefonierte«, zählte Kosinski an seinen Fingern ab und sah sie scharf an.
    Während er ihr Liebeserklärungen machte, dachte Paul, plötzlich eifersüchtig.
    »Ja«, sagte Karen fest.
    »Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Frau Staatsanwältin«, sagte Kosinski irritiert. »Seit wann kannten Sie den Mann?« Und warum, sagte ihr sein beleidigter Ton, erfahre ich erst jetzt davon?
    »Seit …« Karen mußte nachrechnen. Es war alles so unermeßlich lange her. »Seit Donnerstag«, sagte sie lahm.
    »Und … wie kam es zu diesem umfassenden Geständnis mit Todesfolge?« Kosinski wurde ironisch, wenn man ihn irritierte.
    »Er trug eine Tätowierung auf dem Arm, die mich an das Zeichen erinnerte, was man Leo Matern auf den Hintern gestempelt hatte.«
    »Ellen.«
    »Ellen.« Er hatte sich nach ihrem Tod Ellen »in die Haut geschnitten«, um immer an sie zu denken. Hatte er gesagt. Zutreffender wäre gewesen: an seine Rache. Und diese Rache war es, dachte Karen, nicht seine Liebe zu Ellen, die ihn das Petschaft hatte mitnehmen lassen, das er für sie vor Jahren anfertigen ließ. In Paris. Noch bevor er wußte, daß er sie nicht wiedersehen würde. Das Petschaft, das sie nie in der Hand gehalten hatte. Und blaue Farbe. Mit der er sein Opfer markierte – ohne einen Gedanken daran, daß man an diesem Zeichen auch ihn erkennen konnte. Für ihn war es das Banner Ellens, das er über ihrem Mörder errichtete.
    Er fühlte sich als Verkörperung der Gerechtigkeit. Was für eine Anmaßung, dachte Karen und merkte die Wut und die Trauer wieder in sich hochsteigen.
    »Wann haben Sie die Koinzidenz gemerkt?« fragte der Inspektor knapp. Verhörte er sie? Karen merkte, wie sich alles in ihr sträubte. »Im Grunde erst am Samstag«, sagte sie widerwillig.
    »Also gestern«, sagte Kosinski und guckte auf seine Armbanduhr. »Und was …«, fragte er. Sie fiel ihm ins Wort. »Ich habe ihn mit dem Namen Leo Matern konfrontiert«, behauptete sie kühn. »Und?« Und ihn gehen lassen, dachte sie trostlos. So daß ich ihn auf ewig auf dem Gewissen habe.
    »Warum haben Sie …«, setzte er mißtrauisch nach.
    »Inspektor!« Karen fiel ihm ins Wort. »Ich habe mir nicht vorstellen können, daß ein Artist in Frankfurt auch nur irgend etwas mit einem Toten in der Rhön zu tun haben könnte.« Und ich habe es mir vor allem nicht vorstellen wollen , fügte sie bei sich hinzu.
    Am liebsten hätte sie alles gestanden. »Ich habe gegen alle Regeln der Kunst verstoßen, Kosinski!« Und hätte an sein Verständnis appelliert. An seine Sensibilität. »Ich bin meinen Gefühlen gefolgt und nicht meinem Verstand«, hätte sie sich angeklagt. Und: »Es soll nicht wieder vorkommen.« Sie fühlte sich unendlich demütig. Karen Stark blickte Gregor Kosinski in die Augen, in seine skeptischen großen grauen Augen, bevor sie den Kopf abwandte.
    Sie sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher