Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
Vom Netzwerk:
kann ja auch nicht an alles denken.
    Der Busbahnhof war wie eine
Spinne angelegt. Die Halle war der Körper. Lange, abgewinkelte
Verbindungsgänge, die Spinnenbeine, führten zu den Bahnsteigen. Flaherty und
seine Begleiter marschierten einen der Korridore hinunter. Auf einem roten
Schild an der Decke stand «Continental», Tor 3 bis 7. Sie waren jetzt wachsam,
auf Schwierigkeiten gefaßt. Das war an ihren Schultern abzulesen.
    Sie gingen eine Ewigkeit,
Flaherty vorn in der Mitte und die anderen einen halben Schritt dahinter, mit
den Augen nach rechts und links spähend.
    Drei Gestalten, fast wie ein
Spiegelbild Flahertys und seiner Gesellen, kamen aus dem Schatten auf sie zu.
Eine trug eine Sporttasche. Die andern beiden flankierten sie. Eine Frau war
dabei, fast noch ein Teenager. Sie hatten eine Frauenstimme für «Maudie»
gebraucht. Und mit einer Frau zu reisen erregt weniger Aufsehen. Man konnte
nötigenfalls immer miteinander schmusen und so tun, als sei man jungverheiratet
und auf Hochzeitsreise. Dieses Mädchen sah nicht gerade wie eine Schmusekatze
aus. Es war nicht groß, vielleicht einsfünfundsechzig, aber breit in den
Schultern. Eine Narbe zerschnitt ihr die Stirn, und sie kämmte nicht einmal das
glatte Haar darüber, um sie zu verbergen.
    Der Laufsteg war völlig
verlassen. Um 23 Uhr 45 war der Continental-Bus angekommen. «Maudie» hatte
offenbar gewartet, bis die Fahrgäste sich zerstreut hatten, und dann erst
G&W angerufen.
    Ich wartete ab — ein beigefarbenes,
an eine Betonwand geschmiegtes Nichts, das kaum zu atmen wagte — , bis das
Tauschgeschäft abgewickelt war. Ich wollte sicherstellen, daß alles wie gewohnt
ablief. Ich beobachtete Schultern, Arme und Hände. Vier von den Sechsen sah man
an, daß sie mehr trugen als ihr eigenes Gewicht.
    Ich fühlte meine eigene 3 8er
im Kreuz. Eine Schweißperle rollte mir den Nacken hinunter.
    Die Aktenmappe wurde gegen die
Sporttasche getauscht.
    Der Moment.
    Ich holte Luft.
    Ich trat von der Wand vor.
Nicht zu weit, denn ich hatte nicht vor, mich in irgendeine Schußlinie zu
bringen. Ich sprach, so laut ich konnte, Jackie Flaherty an. Hoffentlich merkte
«Mr. Andrews» von den Cedar-Wash-Immobilien, wen ich meinte, aber im Grunde war
es egal.
    «Tommy», schrie ich. Meine Stimme
klang hohl, heiser. Die Anspannung hatte sich mir auf die Kehle gelegt, und
meine Stimmbänder versagten mir beinahe den Dienst. Ich zwang mich,
Begeisterung und Kraft in meine Stimme zu legen. «Tommy, Liebling, es tut so
gut, dich wiederzusehen!»
    Vielleicht hieß einer der Kerle
wirklich Tommy, denn Flahertys Leibwächter zur Rechten drehte sich mit einem
erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht zu mir herum. Die anderen zuckten die
Achseln. Das Mädchen drehte den Kopf, um zu sehen, ob der Tommy dieser Dame wohl
durch die Halle angerannt kam.
    «Alles fallen lassen.» Die
Stimme gehörte «Mr. Andrews» von Cedar Wash, war jedoch verstärkt und verzerrt.
Sie schien von überallher zu kommen, quoll aus den Fußbodenplanken und hallte
von den Wänden wider. «Hände hoch. Sie sind verhaftet.»
    Die sechs drehten sich in
verschiedene Richtungen, völlig verwirrt durch die allgegenwärtige, göttlich
anmutende Stimme. Zwei griffen fahrig nach ihren nicht gleich erreichbaren
Schußwaffen, erstarrten jedoch, als sie sahen, was auf sie zukam. Sie waren gar
nicht recht dabei. Allzuoft hatten sie dieses Spiel ohne Probleme gespielt. Die
FBI-Beamten bildeten einen scharfen Kontrast dazu, sie waren alles andere als
lax. Es müssen acht Mann gewesen sein, Kanonen im Anschlag.
    Einen Augenblick lang herrschte
eisige Stille. Ich drückte mich immer flacher gegen die Wand und versuchte, mit
ihr zu verschmelzen. Ich war beeindruckt. Wirklich, bei einer Dealer-Festnahme
in der Innenstadt kann man heute von Glück sagen, wenn zwei halbwegs interessierte
Bullen dabei sind. Sie haben ihre anfängliche Begeisterung verloren, und
irgendwie kann ich sie verstehen. Es laugt einen aus, immer wieder die gleichen
Widerlinge zu verhaften.
    Die FBI-Leute sahen höchst
interessiert aus. Sie hatten uns eingekreist. Wahrscheinlich hatten sie ihre
Dienstmarken aufblitzen lassen und sofort Zugang bekommen. Ich war beeindruckt,
wie gesagt, und hoffte nur, daß jetzt nicht ein nervöser junger Beamter aus
Versehen abdrückte.
    Keiner der Rauschgiftdealer zog
eine Waffe. Zwölf Hände hoben sich über sechs verdrossene Gesichter. Meine
waren beim ersten FBI-Befehl schon hochgeschossen. Ich war rundum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher