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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
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das Schwein.
    Dieser Bastard. Sams Neffe. Der
einzige Sohn seiner einzigen Schwester.
    Ich schluckte, sog salzige Luft
ein und trat auf die Gummimatte, die den Türmechanismus in Gang setzte. Ich
ging schnurstracks geradeaus, als ob ich die Männer hinter mir nicht bemerkt
hätte. Ich konnte ihre Blicke auf meinem Nacken spüren.
    Die Busstation glich einem
Flughafengebäude mit ihren stählernen Dachstreben, den langen Rolltreppen und
schmalen Laufbändern durch eine riesige zentrale Halle. Ich knöpfte meine Jacke
wegen der klimatisierten Kälte zu. Die Luft war schlecht — eingeschlossen und
um und um gewälzt zu einem metallisch riechenden Gebräu. All das Glas, und
nicht ein einziges Fenster zum Öffnen.
    Ich schüttelte den Kopf, als
ich mich umsah. Ein totschicker Neubau, und doch dieselben Zuhälter, dieselben
Säufer, dieselben Ausreißer. Auf einer Bank saß eine erschöpfte junge Frau in
einem Baumwollfähnchen mit einem Baby auf dem Schoß und ermahnte scheltend
einen kleinen Jungen, in der Nähe zu bleiben. Ich erkannte auf den ersten Blick
niemanden, wollte aber auch nicht unbedingt jemanden erkennen. Ich wollte nur
feststellen, wer wo war, die Aufstellung der Figuren prüfen. Ein kurzer Blick
in den Wartesaal — nur irgendwelche Gestalten, und natürlich die
gutgekleideten, betont unauffälligen Herren, von denen ich keine Notiz nehmen
durfte.
    Ich überflog den Fahrplan über
dem Trailways-Schalter, dann den der Peter-Pan-Gesellschaft, dann den von
Continental. Busse von zweien der drei Buslinien waren in der letzten Stunde
aus New York angekommen. Ich mußte nicht im voraus wissen, an welchem Bus
Flaherty interessiert war. Er würde es mir schon zeigen. Hoffentlich.
    Ich hatte höchstens vierzigmal
auf meine Uhr geschaut, als er endlich zweiundzwanzig Minuten später durch die
Schiebetür aus Glas hereingeschritten kam. Er hatte zwei Schlägertypen
mitgebracht. Mein Herz rutschte mir in die Hose und bis in die Schuhe, als ich
feststellen mußte, daß sie nichts bei sich trugen.
    Sie bemerkten mich nicht. Ich
hatte weite ausgebleichte Jeans an, irgendein T-Shirt, eine formlose Jacke.
Jede Strähne meines roten Haars hatte ich unter einem beigefarbenen Kopftuch
versteckt. Die Sonnenbrille auf meiner Nase war nur so schwach gefärbt, daß sie
bei Sonne nichts nutzte. Keiner der Zuhälter, der Säufer und der Angestellten
am Fahrkartenschalter hatte mir einen zweiten Blick gegönnt. Ich fühlte mich
geschmeichelt durch die mangelnde Beachtung. Fast kam es mir so vor, als sei
ich unsichtbar.
    In ein Prospekt vertieft, auf
dem Trailways-Überlandreisen angepriesen wurden, gab ich vor, Flaherty und
Konsorten nicht zu bemerken. Sie gingen vorbei, ihre Augen auf die Penner,
Zuhälter und übernächtigten, erschöpften Reisenden gerichtet. Ich warf einen
Vierteldollar in den Geldschlitz und erstand eine Automatenausgabe des Globe. Dann folgte ich ihnen in einigem Abstand. Sie gingen eine Treppe hinunter. Ich
wollte die Rolltreppe nehmen, aber sie war entweder kaputt oder nachts außer
Betrieb. Meine Turnschuhe machten kein Geräusch auf den Metallstufen.
    Schließfächer füllten eine
Wandfläche. Einige waren groß genug, um einen Schrankkoffer darin
unterzubringen, andere wieder zu klein für meine Schultertasche. Schlüssel mit
roten Anhängern markierten die unbenutzten Schließfächer. Vielleicht hatte
Eugene den Zaster in T. C.s Katzenklo aus einem dieser Schließfächer gestohlen,
als er hinter die ganze Gaunerei gekommen war — «konfisziert», hätte er sicher
gesagt. Jeder Dummkopf kann ein Busdepotschließfach knacken.
    Ich verschwand in einer Damentoilette
in der Nähe, weil die beiden Wächter ihren Job taten und den ganzen Verkehr
beobachteten, während Flaherty sich an dem Schloß zu schaffen machte. Ich ließ
die Tür einen Spalt offen und sah, wie Flaherty eine Aktentasche herausnahm und
den Schlüssel im Schloß stecken ließ. Ein guter Trick, ein Schließfach niemals
zweimal zu benutzen. Flaherty war fast schon zu clever.
    Er hatte lediglich Eugene
Devens unterschätzt. Und dessen Schwester.
    Flaherty und die Schläger
marschierten hintereinander die Treppe wieder hinauf und durchquerten die
ausgedehnte Halle. Ich schlug ein paar Haken, blieb ihnen aber auf den Fersen.
Ich merkte, daß mir Männer folgten.
    Ich habe entschieden etwas für
Parademärsche übrig.
    Verdammt. Hoffentlich ging der
Handel nicht in der Männertoilette über die Bühne. Daran hatte ich nicht
gedacht. Himmel, man
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