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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
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spät kommst. Ich will nicht, daß mich jemand da
rumhängen sieht.»
    «Machst du denn mit bei diesem
großen Preis?» fragte ich.
    «Hör zu, Carlotta», sagte er
unwirsch, «das haben wir doch alles schon durch. Ich jage nicht mit dir hinter
irgendwelchen Ringeltäubchen her. Ich bin in einer halben Stunde an der
Bushaltestelle, und dann sehen wir weiter. Vielleicht verlasse ich die Stadt
noch heute abend wieder.»
    «Heute abend schon», jammerte
ich, «aber dann bleibt uns ja überhaupt keine Zeit!»
    «Schnauze», sagte er grob. Ich
hatte Lemon den wahren Thomas Carlyle so eingehend beschrieben, daß er seine
Rolle blendend spielte. «Komm gefälligst zum Depot, und fertig.»
    «Zu dem neuen, ja? An der
Atlantic Avenue. In einer halben Stunde», wiederholte ich für alle Fälle.
    «Ich werde da sein», sagte
Lemon. Als sei es ihm nachträglich noch eingefallen, fügte er hinzu: «Bin
scharf auf dich.»
    Ich legte den Hörer vorsichtig
auf die Gabel zurück. Jetzt war es Sache von Lemon und Roz, die anderen Anrufe
zu machen, Sache der Taxifahrer, schnell auszuliefern, Sache der Polizei, zu
handeln.
    T. C. reist nicht gern, außer
wenn er gern reisen möchte. Ich hatte ihn nicht mehr in meinem Toyota seit dem
Mal, wo er auf das Armaturenbrett gekotzt hatte.
    Mooney hatte darauf bestanden.
    Ich griff mir den Kater und
zwängte ihm mit Mühe ein Halsband um. Er starrte mich mit aufgerissenen Augen
ungläubig an und schärfte seine Krallen an mir. Ich hielt ihn fest, und
schließlich beruhigte er sich.
    Ich nahm die Kanone aus meiner
Umhängetasche. Ich überlegte, ob ich sie zu Hause lassen sollte. Ich dachte an
Zipfelbart. Ich dachte an die beiden Gangster, die Margaret fertiggemacht
hatten. Ich klemmte das Ding ins Kreuz in den Bund meiner Jeans. Äußerst
unbequem.
     
     
     

32
     
    Ich kenne mich in der Gegend um
den alten Greyhound-Busbahnhof am Park Square aus. Sie pflegte ein Volltreffer
für mich zu sein, dieses schlecht beleuchtete, nach Urin und ranzigem Fett
stinkende Loch, das Zuhälter magisch anzog. Dort lauerten sie Nacht für Nacht
auf die Busse aus Peoria, um die einsamen jungen Ausreißerinnen mit den
hungrigen Augen in Empfang zu nehmen. Die Greyhound-Zuhälter waren eine Spezies
für sich — ein absonderliches, perverses Bus-Empfangskomitee nach festem
Muster, mit einem auswendig gelernten Routine-Spruch auf den Lippen: «He, Mädchen,
siehst gut aus. Siehst aus, als könntest du eine Mahlzeit gebrauchen. Haste ‘ne
Bleibe? Willste ‘nen Joint? Oder Koks?»
    Der ganze Park Square wurde von
Grund auf saniert. Praktisch jedes Gebäude in Sicht wurde dem Erdboden
gleichgemacht, nur der Greyhound-Busbahnhof nicht: Er blieb als schäbiges
Denkmal stehen. Warum, weiß ich nicht, da prompt ein glanzvolles neues Busdepot
in der Nähe des Südbahnhofs entstand. Der Trailways Terminal.
    Ich raste die Storrow Street
zum Southeast Expressway hinunter, wobei ich immer nach Verkehrspolizisten
Ausschau hielt, obwohl Geschwindigkeitsübertretungen in Boston kaum noch
geahndet werden. Ich fuhr über 110 und brachte meinen Toyota zum Tanzen. Ich
nahm ein kleines bißchen das Gas weg. Zwei schwarze Wagen folgten mir, deshalb
setzte ich höflicherweise meine Blinker, um Fahrbahnwechsel und Abbiegen
anzuzeigen. Ich nahm die High-Street-Ausfahrt, bog auf der Congress links ab
und an der Atlantic Avenue rechts. Ich machte einen verbotenen U-Turn, um auf
den Trailways-Parkplatz zu kommen, und quetschte den Toyota zwischen einen
alten VW-Bus und einen winzigen Escort. Ich sah auf die Uhr. Glorias Funkspruch
mußte vor zwei Minuten rausgegangen sein. Von da an hing das Timing ganz von
Flaherty ab.
    T. C. und ich starrten uns im
Dunkeln an. Nachdem er eine Zeitlang ohrenzerreißend mit dem Funk um die Wette
gejault hatte, hatte er nun seine stille, anklagende Tour drauf. Verdammt, ich
gab ihm ja recht. Ich hätte ihn zu Flause lassen sollen. Ich machte das Fenster
einen Spalt breit auf. Er konnte im Auto bleiben und schmollen.
    Genau vor dem futuristischen
Bauwerk aus Stahl und Glas war ein Taxistand. Flaherty brauchte nicht einmal
einen Parkplatz zu suchen. Green & White Nr. 442 war nirgendwo zu
sehen. Noch nicht.
    Ich war erleichtert, keine
anderen G & W-Taxen in der Nähe anzutreffen. Ich hatte Mühe, die alten
Käuze in den letzten paar Tagen im Zaum zu halten, besonders Boyle und Fergus.
Sie wollten Flaherty zum Frühstück verspeisen. Es fielen Worte wie «Teeren» und
«Federn». Aufhängen war zu gut für
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