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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale
Autoren: Kathrin Corda
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erstellt habe.
    Ich habe ein Problem: Heute ist Donnerstag und schon morgen öffnet
wieder die Rockdisco ihre Pforten, über deren Tanzfläche mein Bett steht. Ja, mein Bett . Ich habe nämlich blind von Deutschland aus ein
Zimmer in einer Wohnung angemietet, die sich direkt über einer der
angesagtesten Discos der Stadt befindet. Dabei haben mir die Vermieter am
Telefon sogar gesagt, dass sich im Gebäude ein »Club« befinde. Das habe ich
allerdings nicht ernst genug genommen – was ich hätte tun sollen. Ich war
damals heilfroh, so schnell und aus der Ferne ein Dach über dem Kopf gefunden
zu haben, dass ich sämtliche kleine Warnungen und eventuelle Haken
geflissentlich überhört habe. Frohen Mutes bin ich nach Mailand gekommen, bis
ich nach den ersten ruhigen Tagen mitten in der Nacht von dröhnender Rockmusik
geweckt wurde, die bis fünf Uhr morgens anhalten sollte.
    Nach drei durchwachten Nächten über der Disco, die selbst sonntags
ab und an geöffnet hat, bin ich körperlich und geistig erledigt. Ich muss mir
dringend eine neue Bleibe suchen, bevor das nächste Wochenende beginnt und ich
am Montag als strategische Planerin in der Werbeagentur AdOne anfange. Zwar
werde ich nur sechs Monate in Mailand bleiben, aber nichtsdestotrotz: Schlafen
muss der Mensch. So auch ich.
    Ich trinke den Cappuccino aus, löffele den restlichen Milchschaum
aus meiner Tasse und gebe dem Kellner ein Zeichen, dass ich zahlen möchte.
    » Stai cercando casa? Suchst du eine
Wohnung?«, fragt er mit mitleidsvollem Blick auf die vor mir ausgebreiteten Wohnungsinserate,
während er mir den Kassenzettel auf den Tisch legt.
    »Mir reicht schon ein Zimmer«, gebe ich zurück und packe meine Sachen
zusammen.
    »Eeeh«, sagt er mitleidig, » cercare casa a Milano è
così! Die Wohnungssuche in Mailand ist so!« Er hält eine Hand hoch und
legt die Fingerspitzen zu einer Artischocke aneinander. Sehr schwierig bedeutet
das, vielschichtig und bitter, wie eine Artischocke eben, bei der man den
essbaren Kern auch erst nach einigen Mühen zum Vorschein pult.
    »Hm, das macht mir Mut«, erwidere ich und stehe auf.
    » Arrivederci und viel Glück, bella «, strahlt er mich zum Abschied aufmunternd an.
    Ich trete aus der Bar vor die Tür und steige in die gerade ankommende
Straßenbahn. Die Tram bringt mich in Richtung Porta Ticinese und hält
schließlich am Domplatz, wo ich aussteigen muss. Wie immer ist die Piazza vor
dem riesigen Mailänder Dom von Touristen überlaufen, die hier begeistert Fotos
von sich und den Hunderten herumlungernden Tauben schießen.
    Schon nach den wenigen Tagen, die ich in der Stadt bin, würdige ich
das berühmte Bauwerk und die angrenzende Galleria Vittorio Emanuele keines
Blickes mehr. Ich habe längst andere Sorgen. Daher springe ich aus der Bahn und
renne zur nächsten Straßenecke, um direkt eine Anschlusstram zu ergattern, da
die Taktung so gestaltet ist, dass sie mir fast immer direkt vor der Nase
wegfährt.
    So auch dieses Mal. Ich kann nur noch hilflos an die Scheibe
klopfen, während die Wagen unbarmherzig davonrumpeln. Nun könnte ich zehn
Minuten auf die nächste warten, beschließe aber die U-Bahn zu nehmen, obwohl
ich dann etwas länger von der Haltestelle bis zu meiner Discowohnung laufen
muss.
    An einem Kiosk kaufe ich mir eine italienische Klatschzeitung, um
erstens zu erfahren, wer in diesem Land gerade mit wem … und zweitens darüber
hinaus weiter an meinem Schulitalienisch zu feilen. Dann steige ich die Treppen
in die muffigen Gänge der Mailänder Metro hinunter. Am Gleis fährt gerade die
Bahn ein – über deren Taktung zumindest kann ich mich nicht beschweren. Ich
steige ein, ergattere sogar einen der seltenen Sitzplätze, falte die
Zeitschrift auf und lasse mich von Station zu Station schaukeln.
    »Bist du Engländerin?«, schreckt mich ein Fahrgast von meiner
Lektüre auf.
    Ich schaue hoch.
    Links neben mir sitzt ein großer, schlanker Typ mit einem schmalen,
freundlichen Gesicht und halblangen suferblonden Haaren. Er trägt ein weißes
Leinenhemd, dessen Ärmel er ein Stück hochgekrempelt hat. Schöne Hände, ist der
erste Eindruck, der mir durch den Kopf schießt. Schöne Hände bei einem Mann
sind rar und immer gut.
    »Nein, ich komme aus Deutschland«, gebe ich überrascht zurück.
»Wieso?«
    »Och, nur so. Interessiert mich. Diese Stadt ist voll mit Ausländern
und ich finde es immer spannend, mich mit ihnen zu unterhalten und zu erfahren,
was die hier so machen. Bist du
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