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Calming Signals

Calming Signals

Titel: Calming Signals
Autoren: Turid Rugaas
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zu helfen. Sie wußte
immer, was sie zu tun hatte. Der Bernhardiner und sein Besitzer
standen oben im Wald gegenüber von unserem Hof. Ich ließ Vesla
nach draußen. Sie mochte alle Hunde und alle Menschen, deshalb
begann sie fröhlich zu dem Bernhardiner hinzulaufen, als sie ihn
entdeckte. Aber irgend etwas in seinem Gesichtsausdruck oder
seiner Körperhaltung sagte ihr etwas, und sie bremste sofort ihr
Tempo ab und ging sehr langsam auf ihn zu, während sie den Kopf
von einer Seite zur anderen drehte. Er blieb ganz fas ziniert von
dem Anblick stehen und versteckte sich nicht. Als Vesla dicht an ihn
herangekommen war, so etwa sechs bis sieben Meter, nahm sie
die Spielhaltung ein und blieb in dieser Stellung, bis der
Bernhardiner es ebenso machte. Sie bedrängte ihn nicht. Er war
es, der schließlich Kontakt zu ihr aufnahm, und dann spielten sie
lange miteinander.
    Leider sind noch immer viele Hunde schlecht mit ihren Artgenossen
sozialisiert. Schon im Welpenalter sollten sie unbedingt alle Arten
von Hunden kennenlernen, seien es Welpen, Junghunde oder
freundliche erwachsene Hunde. Nur wenige erwachsene Hunde
verhalten sich Welpen gegenüber unfreundlich. Von ihnen sollten
Welpen ferngehalten werden, denn sonst würden sie schlechte
Erfahrungen sammeln und Angst bekommen. Aber wir helfen
unseren Hunden keineswegs, wenn wir sie vor ihren Artgenossen
„beschützen". Zwar ist es möglich, einen schlechten Start ins
Hundeleben zu korrigieren, aber es ist so viel schwerer und
erfordert so viel Umsicht und Arbeit vom Besitzer, daß nicht jeder
dieser Aufgabe gewachsen ist.
    Sozialer Umgang mit anderen Hunden ist das beste Training, das
Sie Ihrem Hund geben können - nicht nur im Welpenalter und
während des Heranwachsens, sondern auch, wenn er erwachsen
ist.
FALL III
    Die große Bracke stand zitternd und keuchend mitten im Raum. Sie
war so mager, daß die Rippen hervorstachen, es war wirklich ein
trauriger Anblick. Ein paar Sekunden später war das Geräusch des
Zuges, der das Haus in dreißig Metern Abstand passiert hatte, nicht
mehr zu hören, und sie begann langsam, sich wie ein normaler
Hund zu verhalten - sie wollte mich begrüßen und zeigen, was für
ein freundlicher Hund sie war. Sie wohnte direkt an einer
Eisenbahnstrecke und war wie von Sinnen vor Angst, wenn das
Geräusch eines Zuges näher kam. Im Laufe kurzer Zeit war sie
ruhelos geworden, wanderte - auch nachts - viel herum und fand
keine Entspannung. Sie hatte Herzflimmern und sieben Kilogramm
abgenommen.
    Ich wußte absolut nicht, was ich machen sollte. Die Familie zum
Umzug bewegen? Tabletten geben? Ich beschloß, einfach etwas
auszuprobieren, wenn der nächste Zug kam, und erklärte den
Besitzern den geplanten Übungs aufbau. Als sich das ferne
Geräusch eines Zuges ankündigte, begann ich deutlich und
lauthals zu gähnen, streckte die „Vorderbeine" von mir und vermied
es, sie anzusehen. Aus dem Augenwinkel konnte ich die Reaktionen des Hundes verfolgen. Die Besitzer sahen sich an und
unterhielten sich. Die Hündin stand mitten im Raum und zitterte und
keuchte, sah mich aber die ganze Zeit an, während ich gähnte. Sie
blickte von mir zu den Besitzern und zurück. Das Keuchen war
diesmal aber nicht ganz so stark. Konnte das möglich sein?!
    Als der nächste Zug kam, gähnten wir alle gemeinsam -und es war
ganz deutlich eine Änderung im Verhalten der Hündin zu sehen.
Die Besitzer bekamen also ihre Hausaufgabe: Sie sollten auf
diesem Weg weiterarbeiten. Wir verabredeten, daß ich in einem
Monat wiederkommen würde.
Für den Fall, daß sich der Zustand der Hündin verschlimmern
würde, sollten sie mich anrufen.
    In der Zwischenzeit hörte ich nichts von ihnen, wenigstens war es
also nicht schlimmer geworden. Als ich vier Wochen später wieder
in das Haus kam, lief die Hündin auf mich zu und begrüßte mich
freundlich, bevor sie aufs Sofa sprang und sich neben mir
niederlegte (das durfte sie!). Sie rollte sich gemütlich zusammen
und schlief ein. Zugenommen hatte sie auch, die Rippen stachen
nicht mehr hervor, und die Besitzer konnten sich ein vielsagendes
Lächeln kaum verkneifen. Ich begriff, daß etwas pas siert sein
mußte. Der erste Zug kam wenig später. Ich war sehr gespannt,
und die Hündin blinzelte mit einem Auge zu mir hoch, sah, daß ich
gähnte - und schlummerte weiter, als ob sie dachte: „Hab ich's doch
gewußt!"
    Ich war sprachlos und sehr glücklich. Es war tatsächlich möglich,
mit
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