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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Autoren: Jennifer Worth
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mich entschlossen bereit für die nächste Wehe, die überraschend schnell kommt. Muriel hechelt nun durchgehend. Ich schütze den Damm unter dem heraustretenden Scheitel und der Kopf ist draußen.
    Wir stoßen alle einen Seufzer der Erleichterung aus. Muriel ist ganz schwach vor Anstrengung.
    »Gut gemacht, Muriel, du machst das ganz toll. Jetzt dauert es nicht mehr lange. Noch eine Wehe, dann wissen wir, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.«
    Das Gesicht des Babys ist blau und runzlig und mit Schleim und Blut bedeckt. Ich prüfe den Herzschlag. Immer noch normal. Ich beobachte, wie sich der Kopf wieder um einen Achtelkreis zurückdreht. Die vorneliegende Schulter kann nun unter dem Schambogen hervor zur Welt gebracht werden. Noch eine Wehe.
    »Jetzt, Muriel, jetzt kannst du pressen – fest.«
    Ich helfe der vorn liegenden Schulter mit einer vorwärts und aufwärts gerichteten Bewegung nach draußen. Die andere Schulter und der Arm folgen und der ganze Babykörper rutscht ohne Anstrengung nach.
    »Wieder ein kleiner Junge«, ruft die Mutter. »Gott seis gedankt. Is er gesund, Schwester?«
    Muriel hat Freudentränen in den Augen. »Oh, Gott segne ihn. Lasst mich doch mal sehen. Och, is der süß.«
    Ich bin fast genauso überwältigt wie Muriel, so groß ist die Erleichterung bei einer komplikationslosen Entbindung. Ich klemme die Nabelschnur des kleinen Jungen an zwei Stellen ab und schneide sie dazwischen durch. Ich halte ihn an den Füßen hoch, um sicher zu sein, dass kein Schleim in seine Luftröhre gelangt.
    Er atmet. Das Baby ist nun ein eigenes Wesen.
    Ich wickele ihn in die Handtücher, die man mir reicht, und gebe ihn Muriel, die ihn in den Arm nimmt, »ku-ku« macht, ihn küsst und ihn »so schön, so süß, ein Engel« nennt. Ehrlich gesagt ist ein blutverschmiertes, noch leicht blaues Baby mit aufwärts verdrehten Augen in den ersten Momenten nach seiner Geburt kein wirklich schöner Anblick. Aber seine Mutter nimmt ihn nicht so wahr. Für sie ist es perfekt.
    Doch meine Aufgabe ist noch nicht erledigt. Die Plazenta muss noch geboren werden, und zwar in einem Stück, ohne dass Teile abgerissen werden und im Uterus zurückbleiben. Falls das passiert, ist die Frau in Gefahr: dann drohen Infektionen, fortschreitende Blutungen, vielleicht sogar massiver Blutverlust, der tödlich sein kann. Das ist der vielleicht kniffligste Teil jeder Entbindung: die Plazenta ganz und intakt herauszubekommen.
    Die Muskeln des Uterus, die gerade ihre anstrengende Aufgabe, das Baby zur Welt zu bringen, erfüllt haben, scheinen sich nun oft ein wenig Urlaub gönnen zu wollen. Häufig kommen während der nächsten zehn bis fünfzehn Minuten keine weiteren Wehen. Das ist schön für die Mutter, die sich jetzt nur noch zurücklehnen und mit ihrem Baby schmusen will und der alles, was dort unten vor sich geht, gleich ist. Doch der Hebamme bereitet das durchaus Sorgen. Wenn endlich die Wehen erneut einsetzen, sind sie oft sehr schwach. Will man die Plazenta ordentlich zur Welt bringen, kommt es auf sorgsames Timing, Einschätzungsvermögen und vor allem Erfahrung an.
    Es heißt, man braucht sieben Jahre praktische Erfahrung, um eine gute Hebamme zu werden. Es war mein erstes Jahr und ich war allein, mitten in der Nacht bei einer Frau und ihrer Familie, die mir vertraute, und es gab kein Telefon im Haus.
    Bitte, Gott, lass mich jetzt keinen Fehler machen, bete ich.
    Nachdem ich das Bett vom Gröbsten gereinigt habe, lege ich Muriel auf ihren Rücken, auf warme, trockene Unterlagen, und decke sie zu. Ihr Puls und ihr Blutdruck sind normal und das Baby liegt ruhig in ihrem Arm. Ich muss nur noch warten.
    Ich setze mich auf einen Stuhl neben dem Bett und lege meine Hand auf den Fundus, um tasten und abwägen zu können. Manchmal kann die dritte Phase zwanzig bis dreißig Minuten dauern. Ich sinne darüber nach, wie wichtig Geduld ist und welche schrecklichen Dinge passieren können, wenn man den Lauf der Dinge unbedingt beschleunigen will. Der Fundus der Gebärmutter fühlt sich weich und breit an, also sitzt die Plazenta offenbar noch fest am oberen Teil des Uterus. Ganze zehn Minuten lang kommen keine Wehen. Die Nabelschnur hängt noch aus der Vagina und ich habe mir angewöhnt, sie genau unterhalb der Scheide abzuklemmen, sodass ich sehen kann, wenn sie länger wird – ein Zeichen, dass sich die Plazenta löst und sich in den unteren Teil des Uterus senkt. Aber es geschieht nichts. Mir geht durch den Kopf, dass in den
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