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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Autoren: Jennifer Worth
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hergekommen.«
    »Gib ma Jacke un Mütz her.«
    »Scheußliche Nacht. Komm rein un wärm dich auf.«
    »Wie wärs mit’m Tässchen Tee? Dann is dir schnell wieder kuschlig warm, was, Liebes?«
    »Sie is noch oben. Wehen so ungefähr alle fünf Minuten. Sie hat geschlafen, nachdem du weg bist, ab kurz vor Mitternacht. Dann is sie so um zwei aufgewacht, weil die Wehen schlimmer wurden, un auch schneller, also ham wir gedacht, wir rufen mal die Hebamme, nich, Mum?«
    Mum nickt und schiebt sich nach vorne, denn sie hat hier das Kommando.
    »Wir ham Wasser heiß gemacht, und ne ganze Ladung schön saubere Handtücher, und Feuer ham wir gemacht, damits schön warm is für das kleine Baby.«
    Ich habe nie viel sagen können und in einer solchen Situation muss ich auch nicht viel sagen. Ich gebe ihnen meinen Mantel und Hut, doch den Tee lehne ich ab, denn aus Erfahrung weiß ich, dass der Tee in Poplar in der Regel widerlich ist: so stark, dass er als Holzschutzlack dienen könnte, stundenlang warm gehalten und dann mit klebrig-süßer Kondensmilch verfeinert.
    Ich bin froh, dass ich Muriel schon früher am Tag rasiert habe, als genügend Licht war und ich nicht Gefahr lief, sie zu verletzen. Bei der Gelegenheit habe ich ihr auch den erforderlichen Einlauf gegeben. Das ist eine Aufgabe, die ich hasse; gut also, dass ich das hinter mir habe. Überhaupt: Wer gibt schon gerne jemandem einen Einlauf aus einem Liter Seifenwasser (besonders wenn es im Haus keine Toilette gibt) mit dem ganzen Dreck und Gestank, und das um halb drei in der Nacht?
    Ich gehe nach oben zu Muriel, einer stämmigen jungen Frau, fünfundzwanzig Jahre alt, die ihr viertes Kind bekommt. Die Gaslampe taucht den Raum in ein weiches, warmes Licht. Das Feuer lodert kräftig und die Hitze nimmt mir fast den Atem. Auf den ersten Blick erkenne ich, dass Muriel bald in die zweite Geburtsphase eintreten wird – das Schwitzen, das sanfte Keuchen, der seltsam nach innen gekehrte Blick, den die Frau in dieser Phase hat, während sie ihre ganze mentale und physische Kraft sammelt und sich auf das Wunder konzentriert, das sie gleich vollbringen wird. Sie sagt nichts, drückt nur meine Hand und lächelt mich kurz an, wie jemand, der gerade beschäftigt ist. Vor drei Stunden habe ich sie in der ersten Geburtsphase verlassen. Vorwehen hatten sie bereits den ganzen Tag über geplagt und sie war sehr müde, also habe ich ihr gegen zehn Uhr abends Chloralhydrat gegeben und gehofft, sie würde die ganze Nacht durchschlafen und morgens erfrischt aufwachen. Es hat nicht geklappt. Verläuft eine Geburt jemals so, wie man es möchte?
    Ich muss genau wissen, wie weit sie schon ist, also bereite ich mich auf eine vaginale Untersuchung vor. Während ich mir die Hände wasche, kommt die nächste Wehe – man kann sehen, wie sie allmählich stärker wird, bis es schließlich scheint, als müsse Muriels armer Körper zerbrechen. Es gibt Schätzungen, nach denen jede Kontraktion des Uterus auf dem Höhepunkt der Geburt den gleichen Druck ausübt wie die sich schließenden Türen eines U -Bahn-Zugs. Wenn ich Muriel so in ihren Wehen beobachte, sehe ich keinen Grund, daran zu zweifeln. Ihre Mutter und ihre Schwester sitzen bei ihr. Sie klammert sich in stummem Schmerz an sie, hält die Luft an und ein atemloses Stöhnen dringt aus ihrer Kehle; dann ist es vorbei und sie sinkt erschöpft zurück, um ihre Kraft für die nächste Wehe zu sammeln.
    Ich ziehe meine Handschuhe über und fette meine Hand ein. Ich bitte Muriel, ihre Knie anzuziehen, da ich sie untersuchen möchte. Sie weiß genau, was ich tun werde und warum. Ich lege ein steriles Tuch unter ihr Gesäß und führe zwei Finger in ihre Vagina. Der Kopf liegt schön weit unten, vordere Hinterhauptslage, nur noch ein dünner Saum des Gebärmutterhalses ist zu ertasten, doch die Fruchtblase ist offenbar noch intakt. Ich lausche auf das Herz des Fötus, gleichmäßige 130. Gut. Mehr muss ich nicht wissen. Ich sage ihr, dass alles normal läuft und sie es bald geschafft hat. Dann kommt eine neue Wehe, und alles, was es noch zu sagen oder zu tun gibt, muss warten, so stark hält die Wehe sie im Griff.
    Mein Tablett muss vorbereitet werden. Die Kommode ist schon freigeräumt worden, damit ich eine Arbeitsfläche habe. Ich lege alles bereit: Schere, Nabelschnurklammern, Nabelband, Stethoskop, Nierenschalen, Mullbinden und Tupfer, Arterienklemme. Viel braucht man nicht, vor allem muss es leicht transportierbar sein – auf dem Fahrrad, aber
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