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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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musterte Maxim mit sachlichem Blick. „Kommt drauf an. Schon mal gekellnert?“
    „Nein.“
    „Hinter der Bar gearbeitet?“
    „Nein.“
    „Schon mal einen Drink gemixt?“
    Maxim schluckte. „Auch nicht.“
    „Prima.“ Rufus grinste leicht und nickte Dela zu. „Perfekt.“
    Sie schmunzelte. „Also, was sagst du, Maxim? Sollen wir es probieren? Du bekämst neben dem Lohn auch freie Logis in der Pension.“
    Er war völlig überrumpelt. Er wusste nicht, welche Art von Hilfe er erwartet hatte, doch sicher nichts derart Konkretes, und vor allem nicht so prompt. Erst vor ein paar Stunden hatte er sich diebesgleich aus der Villa davongestohlen. Er dachte daran, was sein Vater wohl dazu sagen würde, wenn er erführe, dass sein Stammhalter in einem solchen Etablissement lebte und arbeitete, und nickte entschlossen. „Das ist ein Angebot, das ich nicht ausschlagen kann.“
    Dela schien hocherfreut. „Großartig. Dann fängst du morgen an, ja? Rufus wird dir alles zeigen.“
    Während Maxim noch nach Worten suchte, um sich für das ihm so bereitwillig vorgeschossene Vertrauen zu bedanken, trat jemand zu Dela, beugte sich hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte und erhob sich sofort. „Entschuldige mich, Maxim.“
    Er sah ihr stumm nach, noch immer leicht verdattert. Rufus goss ihm unaufgefordert Tee nach und nickte ihm knapp, aber freundlich zu, sozusagen von Kollege zu Kollege. Maxim wurde heißkalt, als ihm klar wurde, dass er keine Ahnung hatte, worauf er sich da eigentlich gerade eingelassen hatte.
     
    „Wodka“, seufzte unvermittelt eine weiche Stimme neben Maxim. Er sah hinüber und musste sich davon abhalten, zu starren. Es war unmöglich zu sagen, ob die Stimme einem Mann oder einer Frau gehörte. Die androgyne Erscheinung hatte einen südländischen Teint und schwarzes, glänzendes Haar, das weich über die Schultern fiel. Die hübschen Augen waren gekonnt mit Kajal und Wimperntusche geschminkt. Doch das zarte, sensible Gesicht war von einer bizarren, hervorspringenden Narbe entstellt, die sich vom linken Auge bis zum Mundwinkel zackte.
    „Warum suche ich mir bloß immer so gekonnt genau den Falschen aus?“, seufzte das Wunder melancholisch und Maxim wurde klar, dass es mit Rufus zu reden schien, der eben ein Glas vor ihm postierte.
    „Nimm’s nicht so tragisch, Merlyn. Du weißt doch, wie er war. Janus wollte schon lange weg.“
    „Aber einfach verschwinden, ohne ein Wort, eine Notiz? Habe ich das verdient?“ Verletzt hob Merlyn das Glas und leerte es in einem Zug. Mittlerweile war sich Maxim ziemlich sicher, dass dieses außergewöhnliche Wesen männlichen Geschlechts sein musste. Merlyn verzog so angewidert die Miene, als sei der scharfe Alkohol die bitterste Medizin, und schüttelte sich. „Scheußliches Zeug.“
    Rufus grinste. „Dann bestell’s nicht.“
    Merlyn lächelte zwar leicht, doch sein Blick blieb traurig. „Ich hätte es kommen sehn müssen, oder?“
    Bevor Rufus darauf eingehen konnte, gab es plötzlich rechts von der Bar einen ohrenbetäubenden Knall, als an der Gewölbewand ein hölzerner Stuhl zerschellte. Im heillosen Durcheinander der im Splitterregen Davonstiebenden kristallisierte sich nach wenigen Augenblicken der Urheber der Aufregung heraus. Es war Maxims Faun, der ihn beim Eintreten so frech angeblitzt hatte, doch jetzt glühte er förmlich vor Zorn. Gleich zwei Umstehende versuchten mit ihrer gesamten Muskelkraft, ihn von einem grobschlächtigen Kerl, der kalkweiß geworden war, fernzuhalten, doch ohne nennenswerten Erfolg. Sofort ging er wieder auf den ihn überragenden Unglücklichen los. Sein mittelblonder, widerspenstiger Haarschopf blitzte kurz in der Menge auf, bevor die beiden Streithähne zu Boden gingen und Maxim die Sicht verdeckt war.
    „Maxim, übernimm mal kurz für mich“, meinte Rufus knapp, und sein Tonfall machte deutlich, dass dies keine unverbindliche Bitte war. Schon verließ der Barkeeper seinen Posten und lief los, um sein Glück im Schlichten zu versuchen. Die Masse teilte sich vor ihm wie der Ozean vor Moses, und Maxim blieb verdutzt mit dem androgynen Wesen an seiner Seite zurück.
    „Keine Umstände.“ Merlyn lächelte leicht und schnappte sich selbst die Wodkaflasche, die er skeptisch betrachtete, bevor er sich seufzend nachschenkte. Dann blickten seine dunklen, liebenswerten Augen Maxim interessiert an. „Du bist also der Neue.“
    Er konnte nur nicken, erstaunt, wie schnell sich Neuigkeiten hier herumzusprechen
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