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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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tote Ratte, die plattgefahren auf der Fahrbahn klebt.
    Es war früher Abend. Draußen erwarteten Maxim vielspurige Fahrbahnen, Gedränge, unbekannte Straßennamen und gehetzte Touristen, die ebenso ratlos dreinblickten, wie er. Ganz benommen von all den Eindrücken, schlang Maxim seinen langen Schal mehrmals um den Hals und hielt frierend mit der freien Hand seine schon etwas klein gewordene Winterjacke fest am Revers zusammen. Sein V ater hatte ihn finanziell an der kurzen Leine gehalten. Der wässrige, zertrampelte Schneematsch sog sich unangenehm ins Leder seiner Schuhe. Es begann trist zu nieseln. Maxim musste schleunigst ein Hotelzimmer für die Nacht finden. Wie kam er zur Touristeninformation? Wie fand man sich alleine in einer fremden Stadt zurecht?
    Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Überforderung verkrampfte ihm den Magen. Er blieb stehen und setzte sich auf die klammen Marmorstufen einer Boutique, um kurz auszuruhen und seine Gedanken zu sortieren. Alles war zu neu, zu schnell, zu viel auf einmal.
    „Pass auf, dass du nicht festfrierst.“
    Erschrocken sah er sich um. An der Geschäftstür lehnte ein Mädchen, das offenbar ebenfalls vor dem eisigen Regen Schutz gesucht hatte. Sie betrachtete ihn mit einem schnippischen Lächeln. Sie war zierlich, nicht schön, aber sie hatte etwas. Ausdrucksstarke Augen, aschblondes Haar, das ihr weit über den Rücken fiel. Sie trug einen auffälligen, kunstvoll aus buntgemusterten Stoffen zusammengestückelten Mantel.
    Maxim fühlte das Blut in seine kalten Wangen schießen und lächelte verlegen. „Dann wüsste ich immerhin, wo ich heute Nacht bleibe.“
    Das Mädchen lachte und betrachtete ihn mitsamt Koffer mit dem unverbindlichen Interesse von jemandem, der gerade nichts anderes zu tun hat. „Was treibt dich denn nach München?“
    Er zögerte, zu antworten. „Ich möchte bloß die Stadt kennenlernen.“
    Sie betrachtete ihn wie abwägend, ob sie diese Antwort gelten lassen sollte. „Guter Zeitpunkt. Im Februar.“
    Maxim schwieg unsicher, und sie lächelte entwaffnend. „Hey, ich will dich nicht ausfragen. Mir ist nur langweilig. Blöder Regen.“ Sie löste sich von der Tür, trat heran und setzte sich wie selbstverständlich neben ihn. Die Arme fest um sich geschlungen, schüttelte sie sich bibbernd. „Ich bin Florentine.“
    „Oh, hallo. Ich bin Maxim.“
    „Unterhalt mich ein bisschen, Maxim.“
    Unsicher starrte er auf den Boden. „Darin bin ich nicht sehr gut.“
    „Dann lass mich raten. Mal sehen. Kleinstadtblues, was? Du möchtest mal raus in die große Welt. Habe ich recht?“
    Erstaunt konnte Maxim nur nicken.
    Das Mädchen lachte. „Ich bin aus einem Kaff bei Flensburg, da kenne ich das gut.“
    „Und was hat dich nach Bayern verschlagen?“
    Florentine lächelte und in ihre Augen trat ein hübsches Strahlen. „Mein Traum. Ich studiere an der Akademie Kostümdesign. Drittes Semester.“
    Maxim sah sie mit neuer Achtung an. „Wow.“ Er wies auf den außergewöhnlichen Mantel. „Ist der von dir?“
    „Ist nicht schlecht geworden, oder? Und du? Was hast du für Pläne?“
    „Ich weiß nicht genau.“
    Ein kurzes Schweigen folgte, in dem sie ihn aufmerksam ansah. „Wie lange wirst du hier sein?“
    „Ich weiß nicht. Vielleicht ...“
    „Vielleicht?“
    „Vielleicht werde ich für ein paar Monate bleiben.“ Er schluckte, ohne zu wissen, warum es ihn verletzlich machte, das preiszugeben.
    „Na, du bist ja ein rätselhafter Zeitgenosse.“
    Für rätselhaft hatte ihn nun wirklich noch niemand gehalten. Doch Florentine betrachtete ihn unerwartet still und aufmerksam, als würde sie versuchen, ihn als Menschen richtig einzuschätzen.
    „Also gut“, meinte sie schließlich. Sie vergrub ihre Hand in der Manteltasche, in deren Untiefen sie kurz suchend herumwühlte. Dann zog sie eine Visitenkarte hervor und hielt sie ihm hin.
    Behutsam nahm er sie und las den rätselhaften Aufdruck. Nur der Name „Dela“ und eine Telefonnummer. „Wer ist das?“
    „Jemand, der dir helfen wird. Gib ihr das, und sag, dass ich dich schicke.“
    Maxim sah die Fremde stirnrunzelnd an. Sie überging seine offensichtliche Skepsis, schnappte ohne Vorwarnung das Kärtchen aus seiner Hand und schrieb etwas mit einem Kugelschreiber dazu.
    „Sterntalergasse 7“, entzifferte er und blickte fragend zu ihr auf. Ihre Augen trafen sich, sie zwinkerte ihm entwaffnend zu.
    „Nichts für ungut, Maxim, aber du siehst nicht gerade aus wie jemand, der das alleine auf die
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