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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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Reihe kriegt.“
    „Der was auf die Reihe kriegt?“
    Sie lächelte, unversehens warm. „Ein neues Leben.“
    Er schluckte und sah sie schweigend an. Er zögerte plötzlich, die Visitenkarte, die sie ihm hinhielt, wieder an sich zu nehmen. Sein Herz klopfte heftig. „Entschuldige, aber warum willst du mir helfen?“
    Ihre Augen waren freundlich, ohne jede Falschheit. „Gutes Karma. Und weil jemand das Gleiche für mich getan hat.“ Unvermittelt sah sie zum Himmel auf. „Sieh mal, es hat aufgehört, zu regnen.“ Schon erhob sie sich, schüttelte ihren Mantel auf und schlug den Kragen hoch. „Ich muss los.“
    „Florentine – warte!“ Auch Maxim erhob sich eilig. „Wie komme ich denn da hin?“
    Sie lachte ihn an, schon halb am Gehen. „Ein bisschen was musst du schon selber tun. Wo wäre sonst das Abenteuer?“ Sie winkte ihm zum Abschied zu. Nach wenigen flotten Schritten war sie mit dem Strom der vorüberziehenden Passanten verschmolzen. Er sah ihr nach, überrumpelt, verwirrt, wieder allein.
    Mit seiner Linken über seinen taubgefrorenen Hintern reibend, betrachtete Maxim nachdenklich die geheimnisvolle Visitenkarte in seiner Hand. Kurz entschlossen griff er seinen Koffer, verließ den Boutiquenaufgang, und machte sich auf den Weg.
     
    * * *
     
    Maxim brauchte eine gute halbe Stunde und einen großen Stadtplan, um herauszufinden, wie man zur Sterntalergasse kam. Doch endlich fand er sich in einem alten Viertel mit verwinkelten Gassen wieder. Tiefer und tiefer drang er in das Labyrinth der fremden Straßenzüge ein. Er hatte kein Gefühl mehr in seinen eiskalten Zehen. Die Hand, die seinen Koffer schleppte, schmerzte. Müde und mit ausgetrockneter Kehle sehnte er sich nach einer dampfenden Tasse Tee.
    Die Gegend strahlte in ihrer nachlässigen Verfallenheit einen unbekümmerten Charme aus. Durchgänge zu geheimnisvollen Hinterhöfen, Hausfassaden, deren Fensterverzierungen von Taubendreck dunkel waren, alte Fensterläden. Endlich betrat er mit Erleichterung das ausgetretene, dunkel schimmernde Kopfsteinpflaster der Sterntalergasse, mit den Augen die Hausnummern absuchend. Er konnte kaum fassen, tatsächlich hergefunden zu haben. Die Gasse endete in einem kleinen, malerischen Platz. In dessen Mitte reckte eine riesenhafte Kastanie ihre kahlen Zweige in den schwarzen Himmel und griff nach dem großen, bleichen Mond. Hinter dem Baum funkelte verheißungsvoll etwas hervor. Als Maxim langsam vorbeischritt, zeigte sich die Hausnummer 7 und über der Eingangstür der leuchtende Schriftzug Café der Nacht. Es war, als schlüge der Name eine Saite in ihm an, und sein Herz begann zu flattern.
    Das Haus war hoch, eng flankiert von seinen Nachbarn. Seine Grundmauern wirkten trutzig. Drei Stockwerke besaß die Nummer 7, seine windschiefe Mansarde lag in vollkommener Finsternis. Eine leise, dunkle Vorahnung streifte Maxim, ein seltsamer Schauder. Ein Summen von heiteren Stimmen und sorglosem Lachen kullerte zum einladend offen stehenden Eingang heraus. Vorsichtig trat Maxim in den großen Gastraum. Er war menschenleer. Als er sich vorsichtig umblickte, fiel sein Blick auf ein schwarzgewandetes Goth-Mädchen, das mit angewinkelten Beinen an einem Ecktisch saß und Kafka las. Sie hatte lilafarbenes Haar.
    „Entschuldigung“, setzte er höflich an, und wurde sofort unterbrochen.
    „Da runter“, wies das Mädchen in barschem Befehlston den Weg zur Kellertreppe, ohne aufzublicken. Verunsichert starrte Maxim sie an. Die düstere Unbekannte war so in ihre Lektüre vertieft, dass sie anscheinend seine Anwesenheit bereits wieder vergessen hatte. Er musste irgendjemanden finden, der bereit war, ihm Auskunft zu geben. Doch das Mädchen hatte etwas so Abweisendes an sich, dass er nicht wagte, es nochmals anzusprechen. Es blieb also nur die Möglichkeit, der schroffen Aufforderung folge zu leisten. Bemüht geräuschlos durchquerte er den Raum. Es wurde lauter, warme Luft strömte von der breiten, steinernen Kellertreppe herauf. Langsam stieg Maxim hinab, und je weiter sich sein Blickfeld öffnete, desto heftiger begann sein Herz zu schlagen. In der Mitte der Treppe blieb er unwillkürlich stehen, in den Bann geschlagen vom ersten, überwältigenden Eindruck dessen, was sich vor ihm auftat.
    Unter der Erdoberfläche brodelte es. Auf den ersten Blick war das Gewölbe ein unüberschaubarer Taumel aus Farbe, Bewegung, Lachen und Klang. Es war, als wäre die Lebensfreude zu einem riesigen Ballon angeschwollen und in eine Horde
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