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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
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aufgebrochen hatte und er über aufgeworfene Erde gehen mußte.
    »Wie weit?« fragte er.
    »Psst« , sagte es zu ihm.
    »Was?«
    »Bleib stehen.«
    »Hörst du es auch?« sagte er.
    »Ja.«
    »Was ist das?«
    Es antwortete zuerst nicht, dann lauschte es noch einmal.
    Dann sagte es:
    »Baphomet.«
    In den Stunden seiner Gefangenschaft hatte Boone mehr als einmal an die Kammer des Täufers gedacht; an die Zeit der Kälte, die er in Gegenwart des zerstückelten Gottes verbracht hatte. Hatte er ihm nicht Prophezeiungen mitgeteilt? In seinem Kopf geflüstert und verlangt, daß er ihm zuhörte? Er hatte diese Verwüstung gesehen.
    Er hatte ihm gesagt, daß Midians letzte Stunde nahe war.
    Doch keinerlei Vorwürfe, obwohl er gewußt haben muß-
    te, er sprach mit dem Mann, der verantwortlich war. Statt 254

    dessen war er beinahe vertraulich gewesen, was ihm mehr angst gemacht hatte als jeder Angriff. Er konnte nicht Vertrauter von Göttern sein. Er war als einer der neuen Toten zu Baphomet gekommen, um sich seinen Platz unter der Erde zu erflehen. Aber er war wie ein Darsteller eines künftigen Dramas begrüßt worden. Er war sogar mit einem anderen Namen angeredet worden. Er wollte nichts davon. Nicht die Weissagungen, nicht den Namen.
    Er hatte sich dagegen gewehrt und dem Täufer den Rük-ken zugekehrt; er war davongestolpert und hatte das Flüstern aus seinem Kopf geschüttelt.
    Damit hatte er keinen Erfolg gehabt. Als er an Baphomet dachte, drängten die Worte und der Name mit Macht zurück.
    Du bist Cabal, hatte er gesagt.
    Er hatte es damals geleugnet; er leugnete es jetzt. So leid ihm Baphomets Tragödie tat, der wußte, daß er der Vernichtung in seinem derzeitigen Zustand nicht entflie -
    hen konnte, sein Mitleid hatte naheliegendere Ziele.
    Er konnte den Täufer nicht retten. Aber er konnte Lori retten.
    »Sie ist dort!« sagte das Kind.
    »Welche Richtung?«
    »Geradeaus. Sieh doch!«
    Er konnte nur Chaos erkennen. Der Weg vor ihnen war aufgerissen worden; aus dem aufgebrochenen Boden drangen Licht und Rauch herauf. Man konnte nichts Lebendes sehen.
    »Ich sehe sie nicht«, sagte er.
    »Sie ist unten«, antwortete das Kind. »In der Grube.«
    »Dann zeig mir den Weg.«
    »Ich kann nicht weitergehen.«
    »Warum nicht?«
    »Laß mich runter. Ich kann dich nicht weiter begleiten.«

    255

    Kaum unterdrückte Panik hatten sich in seine Stimme geschlichen. »Laß mich runter!«, beharrte es.
    Boone ging in die Hocke, und das Kind glitt von seinen Schultern.
    »Was ist denn los?« sagte er.
    »Ich darf nicht mit dir gehen. Es ist nicht erlaubt.«
    Nach dem Grauen, das sie durchgemacht hatten, war ihre Angst bestürzend.
    »Wovor fürchtest du dich?« fragte er.
    »Ich kann ihn nicht ansehen«, antwortete sie. »Nicht den Täufer.«
    »Ist er hier?«
    Sie nickte und wich vor ihm zurück, während ein neuerlicher Ausbruch den Spalt vor ihnen noch breiter machte.
    »Geh zu Lori«, sagte es ihm. »Bring sie hinaus. Sie hat nur noch dich.«
    Dann verschwand es, seine zwei Beine wurden im Laufen vier, und es ließ Boone allein vor der Grube.
    4
    Lori verlor das Bewußtsein, während sie fiel. Als sie Sekunden später wieder zu sich kam, lag sie etwa in der Mitte eines steilen Hangs. Das Dach über ihr war noch intakt, aber schwer zertrümmert, und die Risse wurden breiter, während sie hinsah, und kündigten den baldigen völligen Zusammenbruch an. Wenn sie sich nicht rasch in Bewegung setzte, würde sie lebendig verschüttet werden.
    Sie sah zum oberen Ende des Hangs. Am Ende des kreuzenden Tunnels konnte sie den Himmel sehen. Sie 256

    kroch darauf zu, während ihr Erde auf den Kopf rieselte und die Mauern ächzten, so sehr wurden sie der Niederla -
    ge entgegengepreßt.
    »Noch nicht...« murmelte sie. »Bitte, noch nicht.. .«
    Erst als sie nur noch sechs Schritte vom Gipfel entfernt war, erkannte sie diesen Hügel. Einmal hatte sie Boone diese Neigung heraufgeschleppt, fort von der Macht, die am Boden der Kammer hauste. War sie immer noch da und beobachtete ihr Bemühen? Oder war diese ganze Katastrophe eine Folge ihres Rückzugs: das Lebewohl des Baumeisters? Sie spürte seine Beobachtung nicht, aber sie spürte überhaupt sehr wenig. Ihr Körper und ihr Verstand funktionierten nur, weil der Instinkt es ihnen befahl. Auf dem Gipfel der Schräge war Leben. Sie arbeitete sich Zentimeter um Zentimeter darauf zu.
    Nach einer Minute hatte sie den Tunnel, beziehungs-weise dessen freigelegte Überreste, erreicht. Sie blieb
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