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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
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vergangen.«
    »Lori.«
    »Sei still«, sagte sie. »Komm mir nicht mehr mit Ent-schuldigungen. Sie sind beleidigend.« Sie sah das Messer an, nicht ihn. »Du hast deine Gründe. Ich finde, die sind beschissen, aber du klammerst dich daran. Du wirst je -
    manden brauchen, an den du dich klammern kannst.«
    Er bewegte sich nicht.
    »Worauf wartest du? Ich werde dir nicht sagen, daß alles in Ordnung ist. Geh einfach. Ich will dich nie mehr wiedersehen.«
    Er stand auf. Ihr Zorn tat weh, aber er war leichter zu ertragen als Tränen. Er ging drei oder vier Schritte rück-272

    wärts, dann wurde ihm klar, daß sie ihn keines Blickes und keines Lächelns würdigen würde, und er wandte sich von ihr ab.
    Erst dann sah sie auf. Er hatte sich abgewendet. Jetzt oder nie. Sie preßte die Spitze von Deckers Messer an den Bauch. Sie wußte, sie konnte es nicht mit nur einer Hand hineinstoßen, daher kniete sie hin, stemmte den Griff des Messers auf den Boden und ließ sich von ihrem Körperge-wicht in die Klinge stoßen. Es tat schrecklich weh. Sie schrie vor Schmerzen auf.
    Er drehte sich um und sah, wie sie um sich schlug und ihr gutes Blut in den Sand floß. Er lief zu ihr zurück und drehte sie um. Sie lag bereits in den Todeszuckungen.
    »Ich habe gelogen«, murmelte sie. »Boone... ich habe gelogen. Ich will immer nur dich.«
    »Stirb nicht«, sagte er. »Heiliger Gott im Himmel, stirb nicht.«
    »Dann verhindere es.«
    »Ich weiß nicht wie.«
    »Töte mich. Beiß mich. Gib mir das Gift.«
    Schmerz verzerrte sein Gesicht. Er stöhnte.
    »Oder laß mich sterben, wenn du mich nicht mit dir nehmen kannst. Es ist besser, als ohne dich zu leben.«
    Er streichelte sie, seine Tränen fielen ihr ins Gesicht. Sie verdrehte die Augen unter den Lidern. Die Zunge zuckte über ihre Lippen. Er wußte, noch Sekunden, dann würde sie tot sein und es stünde nicht mehr in seiner Macht, sie zurückzuholen.
    »Heißt... das... nein?« Sie sah ihn nicht mehr.
    Er machte den Mund auf, um zu antworten, hob ihren Hals seinen Biß entgegen. Ihre Haut roch säuerlich. Er biß tief in den Muskel, ihr Blut strömte über seine Zunge, das Gift stieg in seinem Hals empor und drang in ihren Blutkreislauf ein. Aber die Zuckungen ihres Körpers hat-273

    ten bereits aufgehört. Sie sackte in seiner Umarmung zusammen.
    Er hob den Kopf von ihrem zerbissenen Hals und schluckte, was er herausgerissen hatte. Er hatte zu lange gewartet. Verdammt! Sie war seine Mentorin und Vertraute, und er hatte sie sterben lassen. Der Tod hatte sie geholt, bevor er sein Versprechen in die Tat umsetzen konnte.
    Sein letztes und bedauernswertestes Scheitern stieß ihn ab, und er legte sie vor sich auf den Boden.
    Als er den Arm unter ihr hervorzog, schlug sie die Augen auf.
    »Ich werde dich nie verlassen«, sagte sie.

    274

    XXV
    Fliehe mit mir
    l
    Pettine fand Ashberry, aber Eigerman identifizierte die sterblichen Überreste des Mannes. Der Priester war noch am Leben, eine Tatsache, die ans Wunderbare grenzte, wenn man sah, wie schwer seine Verletzungen waren. In den darauffolgenden Tagen wurden beide Beine und ein Arm, bis zur Mitte des Bizeps, amputiert. Er erwachte nach den Operationen nicht aus dem Koma, aber er starb auch nicht, obwohl jeder Arzt bestätigte, daß seine Chancen gleich Null waren. Doch dasselbe Feuer, das ihn verstümmelt hatte, hatte ihm eine unnatürliche Kraft verliehen.
    Er war in den Tagen und Nächten seiner Bewußtlosig-keit nicht allein. Eigerman war von vierundzwanzig Stunden zwanzig bei ihm und wartete wie ein Hund unter dem Tisch auf ein Stück von oben, weil er sicher war, der Priester könnte ihn zu dem Bösen führen, das ihrer beider Leben zerstört hatte.
    Er wurde überreichlich belohnt. Als Ashberry, nachdem er zwei Monate am Rand des Grabes verweilt hatte, schließlich zu sich kam, war er wortreich. Wahnsinnig, aber gesprächig. Er sprach von Baphomet. Er sprach von Cabal. Er erzählte in den Hieroglyphen des hoffnungslos Wahnsinnigen davon, wie die Brut die Teile des Körpers ihrer Gottheit genommen und versteckt hatte. Und noch mehr. Er sagte, er könnte sie wiederfinden. Er war vom Feuer des Täufers berührt worden und hatte überlebt, und er wollte es wieder berühren.

    275

    »Ich kann Gott riechen«, sagte er immer wieder.
    »Können Sie uns zu ihm führen?« fragte Eigerman.
    Die Antwort lautete immer ja.
    »Dann werde ich Ihre Augen ersetzen«, erbot sich Eigerman. »Wir gehen gemeinsam.«
    Niemand sonst wollte die
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