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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck
Autoren: Helga Jursch
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nicht allen etwas abkaufen kann und will. Und solange sie diesen Zwiespalt merken, werden sie mich unnachgiebig verfolgen. Ich soll dem Schneider dankbar sein, er macht mich darauf aufmerksam, dass ich noch an mir arbeiten muss, meint Martha. Mag sein, trotzdem möchte ich meine Ruhe haben. Immerhin, die Männer bleiben anständig und korrekt und fassen einen nicht an. Martha sagt, eine alleinreisende Europäerin ist in Indien ziemlich sicher. Die soziale Kontrolle ist so ausgeprägt, dass keiner ihr was tun wird. Deckt sich mit dem, was Edda sagt. Abends gehe ich zum Strand, wild entschlossen, dem Schneider eine Abfuhr zu erteilen. Und was passiert? Kein Schneider, kein Hund. Lediglich ein paar Schuljungs , denen ich keinen Kuli geschenkt habe, begrüßen mich euphorisch.
    Zuvor äußere ich Martha gegenüber meine Skepsis über die im Ayurveda verwendeten Brachialmethoden, aber auch hier legt sie mir detailliert dar, welch große Vorteile das hat. Schließlich gilt Erbrechen auch in der westlichen Medizin als Reinigungsmethode. Ich bin jetzt ein wenig gelassener.
    Ob jemand genug Ghee intus hat, zeigt sich daran, dass das Ghee aus den Poren kommt. Der Arzt untersucht meine Haut sorgfältig und ist nicht zufrieden. Nach meiner Anwendung muss ich deshalb noch mal ein Glas Ghee trinken! Dabei hatte ich mich so gefreut, dass es vorbei ist. Überhaupt war der Tag ernährungstechnisch schwierig. Nach meinem ersten richtigen Frühstück bekam ich ein tolles Fischcurry mit Joghurtsoße und Ananasstückchen zum Mittagessen. Lecker! Ich esse die Hälfte und bin satt. Doch dann kommt der Kellner und sagt, ich müsse alles verspeisen. Bevor mein Verdauungssystem geleert wird, muss es prall gefüllt werden. Er bleibt neben mir stehen und passt auf, dass ich auch brav esse. Bald gucken alle Gäste, und ich komme mir vor wie im Sketch von Loriot mit der Kalbshaxe, wo ein Mann unter den gnadenlosen Augen aller Restaurantbesucher diese Haxe essen muss.
    Abends muss ich glücklicherweise nicht viel essen (ich habe ja den Bauch voll Ghee), aber ich muss massig Milch trinken. Mein Bauch ist so voll, dass ich nicht schlafen kann. Aber das ist nicht so schlimm, da ich hier ohnehin nicht gut schlafe. Das liegt hauptsächlich an der Hitze und am Geräuschpegel. Spätestens, wenn die Flut kommt, wache ich auf. Die kommt mit Donnergrollen und Getöse, dass man meint, die Welt gehe unter. Danach kann ich oft nicht mehr einschlafen. Aber das macht nichts, am nächsten Tag muss ich ja nicht zur Arbeit.

24. März 2005

Ein Tag zum Kotzen
    Nach der durchwachten Nacht muss ich ins Dampfbad. Das sieht lustig aus. Man muss in einen Holzschrank, aus dem oben nur der Kopf herausschaut. Dann wird Dampf eingelassen. Eine gefühlte Viertelstunde schwitze ich im Kräuterdampf. Dazu muss ich sagen, dass ich keine normale, sondern eine richtige Hardcore-Behandlung bekomme, weil sonst meiner Bronchitis nicht beizukommen ist. Erbrechen ist eigentlich Bestandteil der 51-Tage-Kur, und dass jemand mit nur 21 Tagen das machen muss, ist die absolute Ausnahme. Auch sind drei und nicht acht Tage Ghee die Regel.
    Nach dem Dampfbad gehe ich in den Behandlungsraum. Da steht ein Hocker und davor ein großer roter Eimer. Auf dem Tisch eine ganze Batterie Gläser voller Milch. Die Milch ist mit salzig schmeckendem Brechmittel versetzt. Meine Synchronmasseurinnen Usha und Jyoti warten auf mich, Arzt und Ärztin sind auch da. Ich komme mir vor wie im Kreißsaal. Die Ärztin reicht mir das erste Glas. Der Arzt sagt, ich müsse mehrere Gläser hintereinander auf Ex trinken und feuert mich hebammengleich an: „Weiter, weiter, du schaffst das! Und noch einen Zug! So ist es gut!“
    Ich saufe das Zeug mit Todesverachtung, die Mädels massieren mir den Rücken und tupfen mir den Schweiß ab. Dann drückt mir der Arzt mit einem trockenen Ruck seinen Arm in den Magen, worauf ich einen satten Schwall produziere. Er schwenkt den roten Eimer und begutachtet den Inhalt sorgfältig. Er ist nicht zufrieden. Also noch eine Runde. Und noch eine und noch eine. Ich trinke so vier bis fünf Liter salzige Milch. Dann bin ich einfach am Ende. Ich schwitze wie verrückt, mein Puls rast, ich japse und meine Augen tränen. Der Arzt bricht bedauernd ab, weil immer noch ein bisschen Lungenobstruktion in mir steckt. Wie er das erkennt, ist mir ein Rätsel. Aber ich kann nicht mehr.
    Ab auf die Liege. Die Ärztin fächelt mir mit einer braunen Tüte Luft zu. Nach zehn Minuten geht es mir deutlich
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