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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck
Autoren: Helga Jursch
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besser und ich werde wie eine Schwerkranke in mein Zimmer begleitet und zu drei Stunden Bettruhe verdonnert, die ich nur unterbrechen dürfe, um auf die Toilette zu gehen. Es wäre nämlich wünschenswert, dass ich Durchfall bekäme. Dann macht sich meine Leber bemerkbar. Sie zappelt in meinem Bauch wie ein Kind. Nach zehn Minuten gibt sie Ruhe, dafür meldet sich der Durchfall. Danach geht es mir bemerkenswert gut, das heißt, meinem Kopf. Ich bin etwas schwindlig, selbst ein paar kleine Schritte strengen mich maßlos an und die Müdigkeit meiner Glieder ist grenzenlos, aber mental geht's mir irre gut, ich habe auch keine Schmerzen, fühle mich nicht unwohl. Der Rest des Tages ist schwierig. Ich berste vor Energie, aber mein Körper kommt nicht mit. Ich traue mich nicht vom Hotelgelände und laufe dort wie ein ruheloser, aber schlapper Tiger umher.
    Ich denke, dass die Kur für mich ab jetzt besser wird. Und ich kann nur hoffen, dass ich mich diesen Qualen nicht umsonst unterworfen habe.

25. März 2005

Indisches Leben
    Ich schaue den Fischern zu, wie sie sich morgens zum Auslaufen fertigmachen. Die Fischerboote sind eigentlich Flöße, etwa einen Meter breit und fünf Meter lang. Jeden Abend werden die Bohlen auseinandergenommen und morgens wieder zusammengesetzt. Damit fahren sie zu mehreren raus und tauchen nach Meergetier und Muscheln. Dann paddeln sie zum Markt von Vizhinjam und dann nach Hause zurück. Sie wollen die Touristen gerne mit rausnehmen, aber die würden dann stundenlang in der prallen Sonne auf dem Wasser sitzen und ich glaube nicht, dass jemand das aushalten würde. Ich achte sehr darauf, nicht zu viel Sonne abzubekommen, denn sonst könnten die Massagen infernalisch werden.
    Neulich habe ich mir mein Schnorchelzeug geschnappt, obwohl mir klar war, dass man nicht viel sehen würde, weil das Meer zu aufgewühlt war. Dennoch habe ich direkt am Strand zu meiner großen Überraschung jede Menge bunte und vielgestaltige Fische gesehen. Am Strand hatte ich auch einen denkwürdigen Dialog mit einem Fischer. In einem Land, in dem die Geburt einer Tochter allgemein als Unglück gilt, entwickelt sich das folgende Gespräch für mich völlig unerwartet.
    Er: „Wie viele Kinder hast du?“
    Ich: „Einen Sohn.“
    Er: „Und eine Tochter auch?“
    Ich: „Nein, nur diesen einen Sohn.“
    Er: „Ach, das ist aber wirklich schade, dass du keine Tochter hast!“
    Das haut mich so um, dass mir nichts mehr einfällt.
    Inder kennen keine Privatsphäre. Kein Mensch ist mit sich beschäftigt, jeder mit dem Nächsten. Vom Personal weiß jedermann alles über jeden von uns. Dadurch ist der Service sehr persönlich und man fühlt sich sehr aufmerksam umsorgt. Inder jedoch, die sich länger im Westen aufgehalten haben, tun sich mit dieser allgegenwärtigen Überwachung schwer und sie bekommen Probleme, wenn sie nicht dem für sie vorgesehenen Lebenslauf folgen wollen.
    Das wichtigste Ereignis im Leben eines Inders ist die Hochzeit. In Kerala werden Frauen bei Weitem nicht so schlecht behandelt wie im restlichen Indien, aber dennoch schlecht genug. Praktisch alle Frauen sind verheiratet, während es aufgrund des Männerüberhanges eine ganze Reihe lediger Burschen gibt, die ihren Zustand als großes Unglück empfinden.
    Als Deepa mich massiert, meint sie, meine Eingeweide wären nun in einem deutlich besseren Zustand. Mit Deepa habe ich überhaupt Glück gehabt, sie ist eine der Star-Masseurinnen. In der Nebensaison beginnt Dr. Franklin seine Tour durch die Welt, um seine Methode zu verbreiten, und Deepa gehört zu denen, die er mitnimmt. Sie ist schon ganz schön in der Welt herumgekommen und war schon mehrmals in Deutschland, wo es ihr allerdings nicht gefallen hat. Das Essen fand sie geradezu horrormäßig. Viel zu viele Mehlspeisen und klebrige Soßen. Dr. Franklin ist sowohl bei den Patienten als auch beim Personal herzlich unbeliebt, weil er sehr streng und unnachgiebig ist, und ich meine auch, eine leichte Verachtung für die genusssüchtigen Europäer bei ihm zu spüren. Deepa hingegen verehrt ihn als eine Art Gott, und auch die ernstlich kranken Patienten halten sehr viel von seinem Können.
    Es gibt im Ayurveda verschiedene Richtungen:
    Da ist zum einen das ursprüngliche, durchaus kernige Ayurveda, das z.B. von Dr. Franklin vertreten wird und der verzweifelt gegen das verwässerte Wellness-Ayurveda kämpft. Dann ist in Deutschland noch das Maharishi Ayurveda sehr bekannt, das als Sekte gilt, vor der die
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