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Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Levke Winter
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herrschte keine Panik, wie Elias feststellte, aber entspannt war man auch nicht gerade. Grimmiges Schweigen, so konnte man es am besten beschreiben.
    Harm parkte den Wagen neben dem Tatort. Elias stieg aus – und trat auf einen Hühnerkopf.
    »Der Hühnerstall ist in die Luft gegangen, und du zermatschst gerade die Opfer«, erläuterte Harm und grinste hochzufrieden, wohl weil er fand, dass damit die Teegeschichte gerächt sei. Elias merkte, wie ihm beim Anblick all der verstreuten Kadaverreste schlecht wurde, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mit flauem Magen nahm er seine Digitalkamera aus dem Rucksack, um das Elend auf dem Treckerwendeplatz und in den angrenzenden Ackerfurchen festzuhalten. Auch wenn er Hochachtung vor der Spurensicherung hatte, fotografierte er gern selbst. Man hatte ja immer einen unterschiedlichen Blick auf das, was wichtig war. Besonders gut gefiel es ihm, den Hühnermatsch an Harms Sommerschuhen abzulichten.
    Sein Chef redete mit einem älteren Mann, dem der Hof offenbar gehörte und der den Verdacht hegte, dass die Nazis für das Massaker verantwortlich seien. »Ik gah de Saak up de Grund!«, schwor der Alte. Da die beiden Platt sprachen, bekam Elias den Rest leider nicht mit. Aber Harm hatte es drauf, die Leute zu beruhigen, das musste man ihm schon lassen. Die Nachbarn verkrümelten sich, und der Bauer lud sie in die Küche des Wohnhauses ein.
    Blau-weiße Kacheln aus Uromas Tagen, von denen mindestens die Hälfte gesprungen war, schufen Ambiente. Der Herd wurde noch mit Kohlen beheizt. Auf einer der Platten stand eine Kanne.
    »Klar mögen wir Tee, wer mag den nicht«, sagte Harm, als die rundliche Bauersfrau mit den murmeltiefen Grübchen Tassen aus dem Schrank holte. Sie goss Sahne auf das Gebräu, vergaß aber, ihnen einen Löffel zum Umrühren zu reichen.
    Elias verdrückte sich mit seiner Tasse zur Fensterbank, und während Harm sein Notizbuch herauszog und auf hochdeutsch, mit offizieller Miene, die Befragung begann, stellte er den Tee diskret neben einer Hortensie ab.
    »Ik murks dat Gesocks ab«, dröhnte der Bauer über den Küchentisch. »Wusstest du, dass Göring sich in Wirklichkeit gar nicht umbracht hett, sondern ein Doppelgänger dran glauben musste? Dat is belegt. Da steckte dat Militärgericht hinter. Ihn selbst hamse laufen lassen. Oberflächlich hamse nämlich entnazifiziert, die Alliierten, aber die Großen kommen immer davon. Mein Opa hamse in Engerhafe interniert. Wegen ’nem Lied, das er beim Schützenfest gesungen hat.«
    »Is’ wahr?«, fragte Harm. »Wann genau haben Sie denn gehört, dass Ihr Stall explodierte?«
    »Aber da kümmert sich die Polizei nicht drum. Ihr kriegt euern Mors nicht hoch für die wirklich wichtigen Sachen, weil ihr nur bei den Blitzern abkassieren wollt. Du auch.«
    »Nö«, sagte Harm.
    »Ach, wat. Geht doch immer alles ums Geld.«
    »Die Explosion war also heute Mittag«, brachte Harm ihn wieder auf den Kern der Angelegenheit zurück. »Da bräuchte ich noch die möglichst genaue Uhr…«
    »Mittags schläft der Kerl.«
    »Was?«
    »Wir ham hier auch ein’ Nazi«, erklärte der Alte grimmig. »Davon red ich doch. In einem der Ferienhäuser. Aber mittags schläft der immer. Ik hebb dat beobachtet. Der war’s nich.«
    »Gut. Dann schreib ich mal ein Uhr?« Harm begann zu kritzeln, und Elias, der merkte, dass die Bäuerin ihn beobachtete, nahm die Tasse auf, lächelte genießerisch und schob das Porzellan gegen die fest geschlossenen Zähne.
    »Haben Sie das mit dem Nazi auch aufgeschrieben?«, wollte der Bauer wissen.
    »Wir vertiefen diesen Punkt im Verlauf unserer Ermittlungen«, sagte Harm und klappte das Notizbuch zu.
    Anschließend machten sie sich auf den Weg zu den beiden Nachbarhöfen. Von einem Düsseldorfer Rentner, der den kleinsten der Höfe gekauft und renoviert hatte, erfuhren sie, dass der Sohn von Fokko de Vries – das war der andere Nachbar ganz hinten mit dem blauen Güllefass – in letzter Zeit mit Autolack und Diesel rumgemacht hatte.
    »Kann man mit Autolack einen Hühnerstall in die Luft jagen?«, erkundigte sich Elias bei seinem Chef, als sie über die Wiese mit den Kuhfladen stapften.
    »Autolack, Diesel und ein Eimer Kuhpisse. Geht prima. Hast du so was früher nie gemacht? Rauchbomben gebastelt?«
    »Ich hab Cello gespielt.«
    »Im Ernst?«, fragte Harm. Er klang schon wieder ganz verträglich, als habe er die Sache mit dem Ficus hinter sich gelassen. Elias linste auf seine Schuhe und
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