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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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Ich muss zum Zahnarzt, denke ich und lächle zurück, mit geschlossenem Mund. Das Mädchen geht zum Ausgang, auf die Shoppingstraße, die ich mittlerweile so gut kenne. Ein junger Mann folgt ihr. Er hat lange Haare, sieht gut aus. Er ist ein wenig schlaksig, auf jeden Fall sehr sympathisch. Er sieht mich. »Hallo«, sagt er.
    Ich weiß nicht genau, wo ich ihn hinstecken soll.
    »Du erinnerst dich nicht? Wir wurden uns mal vorgestellt.«
    Jetzt erinnere ich mich: ein junger Filmregisseur, dessen Erstlingsfilm – ein Endzeitszenario – auch auf dem Festival läuft und im Gegensatz zu meinem Film wie Arsch auf Eimer passt. Ich sage ihm, dass ich seinen Film leider noch nicht gesehen habe, sehe, dass es ihn betrübt, und erkenne, dass er meinen Film sehr wohl gesehen hat und ihn beschissen findet. Ich bin trotzdem froh, hier wenigstens eine deutsche Nase anzutreffen, und frage ihn, ob er mit mir ein Bier trinken würde, heute Abend vielleicht.
    »Na klar, sehr gerne«, sagt er und macht einen erfreuten Eindruck.
    Das ermutigt mich, den Versuch zu unternehmen, in dieses Gespräch etwas mehr Tiefe zu bringen. Schließlich habe ich seit drei Tagen mit niemandem mehr gesprochen, meine Kehle ist ganz steif vom vielen Schweigen, so kommt mich das Plappern an. Ich beklage mich über die beschissene Projektion meines Films vor drei Tagen und merke, dass der junge Mann etwas hibbelig wird. Seine Projektion, sagt er, sei sehr gut gewesen und die Reaktionen der Zuschauer auch.
    »Die Reaktionen der Zuschauer waren bei mir auch super«, erwidere ich schnell.
    Er wirkt erstaunt, dass die Reaktionen in meinem Film auch gut waren, er scheint zu argwöhnen, ich wolle mich mit ihm gleichstellen.
    Ich trinke den Rest Portwein, hebe den Arm zum Kellner – er nickt mir verschwörerisch zu, schließlich will er seinen einzigen Tagesgast nicht verlieren – und lasse mich tief in die Polster fallen, um Folgendes mitzuteilen: »Das hier ist ja ein Horrorfilm-Festival.«
    Der Jungfilmer nickt, das ist ihm bekannt.
    »Dein Film passt hier ganz gut her«, sage ich. »Aber warum ich hier bin, weiß ich nicht.«
    Ich gebe mal wieder dem Drang nach, mich vollständig fremden Leuten gegenüber zu öffnen. Er schaut zum Ausgang, wo seine hübsche Freundin auf ihn wartet. »Gestern habe ich einen Film gesehen«, sprudelt es aus mir heraus, »den habe ich überhaupt nicht verstanden.«
    So wie andere auf die Armbanduhr schaut der junge Regisseur erneut zum Ausgang, er sieht seine Freundin im Gegenlicht der Vormittagssonne.
    »Da ging es um eine Frau«, sage ich gemütlich aus meiner Sitzecke heraus, »die ihren Freund mit seinem besten Freund betrügt. Der Betrogene kauft sich daraufhin eine Pistole, geht zu seinem Freund und weißt du, was der tut? Er fickt den Freund mit vorgehaltener Waffe in den Arsch.«
    Meinem Gegenüber entgleiten die Gesichtszüge, er sieht jetzt ein wenig altjüngferlich aus. Doch ich bin nicht mehr zu stoppen, halte meinen Zeigefinger an die Stirn und mache Klack: »Doch dann ist die Knarre nicht geladen.«
    Der Jungfilmer verzweifelt, das kann ich jetzt deutlich sehen, ich kenne diesen Gesichtsausdruck von mir. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. »Nicht geladen!«, rufe ich aus. »Nicht geladen!« Etwas zu leidenschaftlich für diese Tageszeit (vielleicht liegt es an den Schmerztabletten, die ich wegen meiner Rückenschmerzen nehmen muss und die aus der Familie der Opiate stammen, die ja bekanntlich Euphorie erzeugen, vielleicht an dem Portwein, wahrscheinlich an beidem), ich könnte mich jetzt jedenfalls ganz in dieser Aufregung einrichten.
    Der Körper des Jungregisseurs ist schon wie ein windschiefer Baum zum Ausgang hin gerichtet. Könnte er sich in irgendeine Substanz neutralisieren, zum Beispiel Quecksilber, und in dieser Form zum Ausgang fließen, er würde es tun.
    Doch ich kenne keine Gnade. »Ich hasse es, wenn sich in Filmen Waffen als nicht geladen herausstellen. Das ist wie mit Sequenzen, bei denen es sich um Träume handelt, von denen man aber nicht weiß, dass es Träume sind. Da wird man in Aufregung versetzt, dabei hat der Held, um den man sich Sorgen macht, die ganze Zeit doch nur geschlafen, von wegen Ätsche-Bätsche, umsonst gebangt.«
    Habe ich wirklich Ätsche-Bätsche gesagt und dabei auch noch die Ätsche-Bätsche-Geste gemacht?
    »Ich muss dann mal«, sagt der Junghorrorfilmer, »muss mal meine Freundin suchen.«
    »Warum suchen? Sie steht doch da am Eingang«, sage ich
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