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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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laut lachend und gebe ihm zum Abschied die Hand, wofür ich mich ächzend aus den Polstern heben und meinen Arsch in halbe Höhe halten muss: »Bandscheibe.«
    »Klar«, sagt er, als würde er wissen, wovon ich spreche.
    »Also dann, Bier?«, frage ich und schlage 17 Uhr vor.
    »Da will ich mir noch einen Film angucken, einen bulgarischen …« Er wirkt jetzt etwas verlegen.
    »Na klar«, sage ich, »den will ich mir doch auch angucken. Das ist ja das Geile an so einem Festival. Dass man mal Filme sieht, die man sonst nicht sieht. Lass uns mal Handynummern tauschen.« Ich gebe ihm meine Handynummer. »Also bis dann, im Kino.«
    Ich sehe ihm nach. Sein Gang ist ganz Swing. Ich rufe hinter ihm her: »Nach dem Film trinken wir dann Bier, ja?«
    Er dreht sich zu mir um. »Na klar, ich freu mich.«
    Da sitze ich in der Windsor-Bar des Grand Hotel in Porto: rote Plüschmöbel, Tapete mit Bildern der Windsors und überall Spiegel, oben, unten, seitlich, sie zeigen mich aus allen Blickwinkeln. Ich kann den kreisförmigen Haarausfall sehen, den ich von meinem Großvater mütterlicherseits geerbt habe. Ich setze meinen sauteuren grauen Hallhuber-Hut auf, den ich in München gekauft habe, und stecke mir, da es sich um eine Raucherbar handelt, eine Zigarette in den Mund. Erstaunlich, was so ein Hut ausmacht. Ich sehe ein bisschen aus wie Billy Wilder. Das macht die Sache besser, viel besser. Ich bestelle noch einen Portwein.
     
    Ein paar Stunden später sitze ich im Kino und sehe mir einen bulgarischen Film an, mit traurigen Menschen in traurigen Situationen, die vor dem Hintergrund eines Endzeitszenarios traurige Sätze sagen und oft weinen. Mein Handy vibriert, ich lese die SMS : »Sind doch noch an den Strand gegangen, kommen sehr spät zurück.«
    Ich gucke den Film bis zum Schluss, was soll ich sonst tun. Ein bisschen muss ich auch lachen. Wer hätte gedacht, damals, 1986, als ich mit Uwe die Volksbühnen-Premierenfeier betrat, dass ich fast dreißig Jahre später in einer Bar in Portugal mir selbst begegnen würde?
    Und wo genau auf der Karte des Lebens befand ich mich jetzt?

2 IM GULAG
IM GULAG
    2 NOCH NIE WAR MIR SO SCHLECHT. Es war Angst. Die nackte. Natürlich auch Panik. Weiche Knie, Magenschmerzen. Auf dem Weg zum Theater musste ich mehrmals zum Kotzen anhalten. Dabei war es gar nicht weit zu meiner Arbeitsstelle. Eigentlich nur über den von Kohlenstaub geschwärzten Hof, eine Eisentreppe hinauf zu einer Rampe, durch die Eisentür mit der Aufschrift »Betreten und Rauchen verboten« – und schon war man auf dem, was man hier Bühne nannte. Die Brandmauer grenzte direkt an einen jahrhundertealten Bauernhof, dessen Besitzer sich seit ebenso langer Zeit einen Hahn leisteten.
    Dieser Hahn war ein unkalkulierbares Risiko. Niemand konnte wissen, wann er zu seinem infernalischen Schrei ansetzte, der bis in die letzte Reihe des Zuschauerraumes gut zu hören war. Das Inszenieren von wirkungsvollen Pausen in dramatischen Situationen wurde so zu einem russischen Roulette.
    Der Hahn war der persönliche Feind des Chefdramaturgen, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, diesen auf allen Wegen, vor allem juristisch, zu vernichten. Das war nicht einfach, obwohl er als Chefdramaturg alle Karten in der Hand hielt. Sein größter Trumpf waren die Funktionen, die er angehäuft hatte. Schließlich war er der Bezirksparteisekretär und Volkskammerabgeordnete von Mecklenburg (Vorpommern gab’s nicht in der DDR -Sprachregelung) und saß damit am Drücker. Nach jahrelangen gerichtlichen Scharmützeln errang er im Namen der Kunst, der Partei und des Sozialismus dann einen Sieg über die Natur. Der Hahn wurde hingerichtet und landete in einem Suppentopf, die Bauern gingen zum Markt und kauften sich einen neuen Hahn. Der Kampf ging von Neuem los.
    Unser Haus, die »Villa Kunterschwarz«, wie mein Mitbewohner Uwe Dag diese Bruchbude getauft hatte, befand sich, wie gesagt, am anderen Ende des Hofs. In Sichtweise des Landestheaters Parchim. Dennoch war der Weg an diesem Morgen vor der Premiere meiner ersten Inszenierung, zu der ich gekommen war wie die Jungfrau zum Kinde, beschwerlicher und länger, als je ein Weg, den ich zum Theater gegangen bin. Nie wieder in meinem Leben war ich so aufgeregt. Während ich mich in Begleitung von Uwe Dag (wahrscheinlich auch gestützt von ihm) zum Theater schleppte, ließ ich eine Spur Kotze hinter mir. Das lag natürlich nicht nur an der Angst vor der Premiere, sondern auch daran, dass wir uns
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