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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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Blue-Ray-Projektion über mich ergehen lassen müssen, bei der nicht nur der Sound albtraumhaft schlecht war, sondern auch das Bild an der spannendsten Stelle hängen blieb, dann musste die Disc gegen eine noch schlechtere ausgetauscht werden und die Zuschauer waren gezwungen, sich noch mal eine halbe Stunde von dem anzuschauen, was sie schon gesehen hatten. Vielleicht plagt die Organisatoren ein so schlechtes Gewissen, dass sie mich seitdem ignorieren. Für sie scheine ich nicht mehr da zu sein.
    Nachdem ich also an diesem trotz des Sonnenscheins tristen Ort drei Tage lang herumgehangen, den Hafen und alle Shoppingstraßen besichtigt, hunderttausend Mal in das Schaufenster neben meinem Hotel geglotzt und wie eine verblühende Dame in der Hotelbar namens »Windsor« an meinem zwanzig Jahre alten Portwein genippt habe, ohne dass mir irgendein spannendes Wesen über den Weg gelaufen wäre, wird mir klar, wo ich mich auf der Karte des Lebens befinde.
     
    Die Tür fliegt auf und herein kommt ein junger, schöner Mann. Er hat langes, volles Haar, seine Nase ist prächtig, seine Bewegungen sind schlaksig und seine Art ist laut. Er strebt mit schlafwandlerischer Sicherheit auf eine berühmte Schauspielerin der Ostberliner Volksbühne zu, die ihren wohlverdienten Premierenwein trinkt.
    Ursula Karusseit hat gerade die Premiere eines Franz-Xaver-Kroetz-Stückes gestemmt. Der hübsche junge Mann ruft schon von Weitem »Hey, Uschi«, bevor er sich auf eine Weise vor ihr auf die Knie lässt, die er für charmant hält. »Du bist eine gute Schauspielerin, aber nicht in diesem Stück«, sagt er und zwinkert ihr zu.
    Ursula schaut ihn an. Was fällt diesem Kerl ein, fragt sie sich. Obwohl: Hat sie sich das nicht selbst eingebrockt? Hat sie nicht, wenn sie mal ehrlich ist, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen versucht, als sie sich mit diesen Schauspielstudenten, den Freunden ihres Sohnes Pierre Besson, eingelassen hat, als seien sie Kollegen auf gleicher Ebene? Hat sie es nicht sexy gefunden, wie diese verwirrten Jugendlichen durch die Straßen Ost-Berlins gelaufen sind und irgendwas von einem »Berliner Boheme Theater« gebrüllt haben? Ist sie nicht selbst schuld, dass ihr da jetzt dieser Schnösel so auf den Sack geht? »Nicht jetzt«, sagt sie, »sonst immer gern, Leander.«
    Der junge Mann rollt seinen Körper nach oben und mit einem »Alles klar, Uschi« trollt er sich.
    An der Bar des grünen Salons in der Volksbühne steht sein Kumpel Uwe Dag Berlin, der in den nächsten Stunden noch seine Hose herunterlassen und sein Geschlechtsteil zeigen wird, woran er sich aber am nächsten Morgen nicht mehr erinnern wird. Er quasselt auf einen nicht mehr ganz jungen Schauspieler ein, der sich von dem Kroetz-Stück ein gigantisches Comeback erwartet hatte, aber schon beim Schlussapplaus spüren konnte, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllen würde. Uwe Dag bearbeitet den armen Kerl nach allen Regeln der Dekonstruktion. Man hört Worte wie »geht gar nicht«, »langweilig« und »Kunst«.
    Der junge Mann stellt sich dazu. »Ich musste es der Uschi sagen.« Er bestellt sich ein Glas Rotwein. Gegenüber der Bar ist ein Spiegel. Er prostet sich zu.
    Uwe Dag ist ein Gérard-Depardieu-Typ mit einem Schuss Kinski. Auch er trägt das Haar lang. Und möhrenrot gefärbt. Wenn Uwe trinkt, wird er entgegen seiner Natur etwas lauter, vor allem aber unversöhnlicher.
    Die beiden sind Freunde. Sie haben zusammen eine Theatergruppe gegründet. Das Berliner Boheme Theater. Damit sind sie auf den Straßen aufgetreten, in Kleingartenkolonien, Dörfern und auf öffentlichen Plätzen. Inoffiziell, an der FDJ vorbei, das war 1980. Dann beschlossen sie in einer Kneipe, es mal an der Schauspielschule Ernst Busch zu versuchen. »Wenn sie uns nicht nehmen, hauen wir ab in den Westen«, das war der Plan.
    Nach diesem Entschluss rief er sofort volltrunken seine Eltern an. Seine Mutter war dran. »Was will er?«, rief es von hinten gegen das Gedröhn des Fernsehers, der immer sehr laut lief, denn sein Vater war schwerhörig.
    »Er will jetzt doch Schauspieler werden«, kam es von seiner hilflosen Mutter zurück.
    »Mit dieser Nase kriegt er nur komische Rollen«, nörgelte es aus dem Fernsehzimmer.
     
    Ein hübsches dunkelhaariges Mädchen durchquert die Hotelbar in Porto. Sie schaut mich an und lächelt. Schöne Zähne hat sie, strahlend weiß. Unwillkürlich fahre ich mir mit der Zunge über die abbröckelnden Teile meines Provisoriums an den Vorderzähnen.
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