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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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retten können, wenn man sie gelassen hätte. Jetzt sehe ich, es ist gar nicht Kassandra, es ist Barbara.
    »Sind wir in Weimar?«, frage ich den hageren Väternspieler neben mir, doch der antwortet nicht, er ist konzentriert. »Kannst du deinen Text?«, hake ich nach.
    »Nein«, sagt er, fliegt direkt unter den Theaterhimmel und spuckt mir von oben auf den Kopf. »Ich bin es, erinnere dich!«
    Ich versuche es, aber komme nicht drauf.
    »Damals«, donnert es über mir, »damals in Paaaarchiiiim!«
    »Nein«, rufe ich, »nein!« Das Echo meines Neins knallt mir um die Ohren. »Das bist du nicht.« Ich versuche wegzurennen, doch ich komme nicht von der Stelle.
    »Die Regie hast du mir weggenommen!« Er steht plötzlich wieder vor mir, diesmal als Kind, und schaut mich mit großen Augen an. Aus ihnen stürzen Bäche klaren Wassers. »Warum hast du mein Leben zerstört?«
    Ich muss lachen. »Das bist du nicht, Wiese, das bist du nicht.«
    »Doch, ich bin es.«
    »Aber ich erkenne dich nicht.«
    »Weil ich tot bin.«
    »Warum?«
    »Crack, du Idiot, du arrogantes Arschloch!«
    »Crack?«
    Das Kind dreht sich weg, es springt aus dem Theater auf die Straße, es rennt und rennt. Ich renne hinter ihm her. Mein Gemächt flattert im Wind.
    »Seht mal«, höre ich Passanten sagen, »seht mal, er hat untenrum nichts an.«
    »Ausweiskontrolle«, versucht mich ein Polizist anzuhalten.
    »Das Buch muss fertig sein«, ruft es aus dem Fenster, »Frühjahrskatalog.«
    »Dein letzter Film war scheiße«, sagt ein junger Mann und rempelt mich an. Es ist Clavigo aus Gera, sein Haar noch immer nass von der Badewanne, in die wir ihn gestukt haben. Carlos 1: »Du sollst sehen, was es heißt, einen Spanier in seiner bürgerlichen Ruhe zu bebebebe …«
    Carlos 2: »… fehden.«
    Carlos 1: »Olé!«
    Der Schauspieler hält mich an meinem Gemächt fest: »Warum habt ihr mich so lange und so oft gestukt, bis ich keine Luft mehr bekam? Ich dachte, ich sterbe.«
    »Damit du einen natürlichen Ton kriegst. Castorf hat das so gewollt.«
    Ich renne weiter, lachende Leute, Abgabetermin, er kann’s nicht, er kann es nicht!
    » BUUUH !«, rufen mir aus den Fenstern alte Damen zu, die auf Kissen gestützt über ihr Fensterbrett schauen.
    »Für euch mache ich das nicht«, rufe ich und renne weiter dem Jungen hinterher. Aber ich erwische ihn nicht, er rennt und rennt, und während er rennt, zerstäubt er gänzlich und verschwindet vor meinen Augen.
    Mir kommt eine Frau entgegen, die ich zu kennen meine, aber woher bloß? Frau Hammer, Frau Hammer aus Graz, die Assistentin von, wie hieß er doch, sie presst mir ihren knochigen Zeigefinger in die Schultermulde und sagt: »Theater ist kein Spaß.«
    Ich lasse sie einfach stehen.
    »Krebs«, ruft sie mir hinterher, »Krebs. Wegen dir und den anderen.« Sie geht in Flammen auf, weit sichtbar leuchtet sie im Dunkeln.
    »Nun geht dein Leben zu Ende!«, singt und tanzt einer mit einem Degen um mich herum. »Du hast damals meine Frau gefickt.« Sein Akzent ist österreichisch.
    »Nichts für ungut«, sage ich und versuche, seinen Volten auszuweichen, denn er führt scharfe Stiche gegen mich, die mich verletzen. Ich blute.
    »Seht nur, der Faxenmacher blutet«, ruft ein grenzdebiler Parchimer.
    »Das war deine beste Zeit«, sagt ein anderer und kommt nah an mich heran. Sein Atem riecht nach Fisch. »Nach Parchim kam doch nischt mehr.«
    »Stimmt«, sage ich und sinke ermattet in die Knie.
    »Er kann es nicht«, ist das Letzte, was ich noch höre.
    Jetzt sind sie mir draufgekommen. Irgendwann kommen sie uns drauf, irgendwann ist jetzt.
    Und dann wieder: »Ausweiskontrolle!«

Das Buch
    Schillernde Figur? Ewiges Enfant terrible? Virtuoser Multitasker? Keine leichte Aufgabe, Leander Haußmann zu beschreiben: Theaterregisseur. Schauspieler. Intendant. Filmregisseur. Drehbuchautor. Komödienspezialist. Und wenn man weiter zurückblickt: Ossi-Jugend. NVA-Wehrdienst. Schauspielschule Ernst Busch.
    Erfreulicherweise ist Leander Haußmann noch etwas anderes: ein hochorigineller, hochunterhaltsamer Schriftsteller, der zeigt, wie man durch brillante Erzählkunst und umwerfende Komik aus Niederlagen leuchtende Siege macht. In einem feuerwerkartigen Monolog, in raffinierten Sprüngen und überraschenden Assoziationsketten erzählt Leander Haußmann Szenen aus einem Leben, in dem sich Zeitgeschichte, Kulturgeschichte und eine turbulente Familiengeschichte überkreuzen: Theaterabenteuer in der tiefsten DDR-Provinz, kuriose
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