Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes
Autoren: J Brekke
Vom Netzwerk:
Stuhls, wie sie nur wenigen Sesseln vergönnt war, mittig zwischen Regalen voller Bücher, Bilder, Notenblätter und alter Drucke, die mit ihren Inhalten und Wahrheiten, Meinungen und Lügen diesem Raum sein Leben gaben. Verbrachte er hier oben die Nacht, träumte er immer die seltsamsten Träume. Ebenso wichtig für Vatten war aber auch die Tatsache, dass der Sessel sich ganz oben unter dem Dach befand, weil er an einer seltenen Form von Klaustrophobie litt, der Angst, lebendig begraben zu werden. Er stellte sich vor, durch einen Arztfehler für tot erklärt und begraben zu werden, ohne dass jemand merkte, dass er noch am Leben war. Seine Fantasie gründete auf einem realen Erlebnis. Er hatte einmal eine Überdosis Schlaftabletten genommen, und sein Herz hatte um ein Haar zu schlagen aufge hört. Er war dem Tode ganz nah gewesen, aber eben nur nahe. Die Fantasie von seiner eigenen Beerdigung war für ihn im mer wieder nahezu körperlich zu spüren. Wenn sie ihn über mannte, spürte er einen ungeheuren Druck auf der Brust, roch die nasse Erde, fühlte die Beengtheit des Sarges, die Schwärze der Nacht und die Stille, die alles zudeckte. Und er dachte an die Luft und das Gras dort oben. In der Regel kamen diese Wahnvorstellungen, wenn er sich in engen, abgeschlossenen Räumen befand. Doch nie im Bücherturm.
    Jetzt saß er vollkommen ruhig da, vornübergebeugt, die Lehne nach hinten gekippt. Er hatte sich ein Buch genommen, um sich ein paar Notizen über Edgar Allan Poe zu machen. Doch außer ein paar ersten Ideen stand noch nichts auf seinem Zettel. Er notierte sich häufig etwas, wenn er ein interessantes Buch las oder ihm Gedanken kamen, die er gerne weiterverfolgen wollte. Die Notizen dienten keinem anderen Zweck, als seine Gedanken zu aktivieren.Wenn er mit etwas fertig war, kam es sogar vor, dass er diese Zettel in einem Ordner abheftete, doch meistens warf er sie einfach nur weg. Nicht alle Gedanken waren es wert, aufgehoben zu werden. Über den Wert der Gedanken der letzten Tage war er sich noch nicht ganz sicher:
    Nach all den Jahren intensiver Forschung geht man mittlerweile davon aus, dass Poes Tod durch eine der folgenden Ursachen bedingt war: Hirnhautentzündung, Gehirntumor, Syphilis, Schlag anfall, Mangel eines oder mehrerer Enzyme, Diabetes, eine weniger bekannte Hirnkrankheit, Alkoholsucht, Medikamentenvergiftung, Opiummissbrauch, Cholera, Quecksilbervergiftung, Bleivergiftung, irgendeine Schwermetallvergiftung, Selbstmord infolge von Depressionen, eine Herzkrankheit, Kidnapping und Drogen, damit er 1849 eine bestimmte Partei wählte, oder Tollwut. Konkret ist die Todesursache aber nie festgestellt worden.
    PS! Wollen wir hoffen, dass er zu Lebzeiten nicht zu viele Gedanken darauf verschwendet hat, wie er einmal zu Tode kommen würde. (Auch wenn Teile seines Werkes vermuten lassen, dass ihn genau solche Gedanken gequält haben.)
    Er blieb sitzen und blickte eine Weile auf seine Notizen. Eigentlich hatte er noch mehr schreiben wollen.Am liebsten eine längere Abhandlung über den bemerkenswerten Autor Edgar Allan Poe.Vatten dachte nicht ohne eine gewisse Indignation daran, dass eine der größten Schriftstellerpersönlichkeiten der USA bettelarm gestorben war. Nach seinem Tod lag Poe jahrelang unter einem simplen Grabstein mit der Aufschrift »Nr. 80«, bis ihm Jahrzehnte später ein anständiger Gedenkstein gewidmet wurde. Heute liegt der Wert einer Erstausgabe seines ersten Buches Tamerlane and Other Poems bei einer halben Million Dollar.
    Vattens Notizen über Poe waren ausschließlich für den Privatgebrauch, um der literarischen »Verdauung« auf die Sprünge zu helfen, sozusagen, was ihn nicht davon abgehalten hatte, gründliche Arbeit zu leisten.Als er aber sah, was er bis jetzt zu Papier gebracht hatte, fiel ihm nichts ein, was er noch schreiben konnte. Trotzdem entschloss er sich, diese Notizen aufzuheben, faltete sie zusammen und steckte sie in seine Hosentasche. Dann lehnte er sich im Sessel zurück, streckte die Beine aus und schlief ein.
    Viel später als sonst ging er nach unten, um sein Essen zu holen. Er hatte damit gerechnet, das Hauptgebäude verwaist vorzufinden. Schließlich schloss die Bibliothek samstags bereits um 13.00 Uhr, und dieser Zeitpunkt war längst verstrichen. Deshalb wunderte es ihn, dass die Lampen im Verwaltungstrakt noch brannten, und vielleicht weckte es auch gewisse Erwartungen in ihm.War sie noch da?
    Er ging in sein Büro und las die Notizen über Poe noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher