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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes
Autoren: J Brekke
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bisschen Sorgen machte sie sich schon um den zurückhaltenden alten Mann. Nicht alle Geheimnisse waren gut für die Seele. Und jetzt begann er also, nachlässig zu werden und das Licht in den Vitrinen brennen zu lassen. Wenn er nur nicht irgendwann vergaß, abends abzuschließen, sodass sie eines Morgens Penner auf dem Fußboden hinter den offenen Türen fand, dachte sie.
    Während sie das Steinhaus und die Gedenkstätte säuberte – auch dort brannten die Lampen –, dachte sie, dass Efrahim Bond wirklich langsam die Kontrolle über sich verlor. Nachdem sie mit den ersten beiden Häusern fertig war, gönnte sie sich wie immer eine Zigarette in dem Verwunschenen Garten , der getreu nach Poes Gedicht »To One in Paradise« angelegt worden war. Danach würde sie sich den anderen Räumlichkeiten des Museums widmen.Als sie auf einer der Steinbänke am Springbrunnen Platz nahm, bemerkte sie im Halbdunkel etwas am Poe-Monument, das ganz hinten im Garten stand. Der Sockel sah irgendwie massiver aus als sonst, als hätte jemand etwas darumgelegt. Sie stand auf und ging ein paar Schritte näher heran, bis sie erkannte, was es war. Edgar Allan Poes Marmorkopf strahlte weiß wie nie zuvor, und sein Lächeln war schief wie immer. Im Gegensatz zu sonst saß der Kopf aber nicht mehr auf einem anderthalb Meter hohen Backsteinsockel. Edgar Allan Poe hatte einen Körper bekommen. Einen blutigen Körper ohne Haut, an dem Sehnen, Muskeln und Adern freilagen. Die Putzfrau, die in ihrem erwachsenen Leben kein Buch mehr aufgeschlagen hatte, aber lange genug an diesem Ort arbeitete, um das eine oder andere über die Hauptperson des Museums zu wissen, erkannte sogleich, dass dieses Arrangement wie herausgepflückt aus einem der Bücher des Autors war.Aber sie bemerkte nicht, dass der Leichnam unter dem gehäuteten Oberkörper eine Hose trug, an deren Gürtel die Zugangskarte ihres Chefs hing.
    Sie rannte nach oben in das Museumsbüro, als wäre ihr der Teufel persönlich auf den Fersen. Sie besaß kein eigenes Telefon. Menschen wie sie sparten, wo es nur ging. Jetzt ergriff sie den Hörer des Telefons im Büro ihres Chefs und wählte die 911. Noch bevor sie eine Antwort erhielt, sah sie all das Blut auf dem Schreibtisch. Dann fiel ihr Blick auf den Kopf im Papierkorb. Kurator Efrahim Bond starrte sie mit hervorquellenden Augen an. Er sah trauriger aus als jemals zuvor.
    Eine Stimme meldete sich am anderen Ende, aber sie konnte nur noch schreien.
    Trondheim, September 2010
    Vatten öffnete die Augen und starrte an eine wohlbekannte Lichtleiste. Er selbst hatte den Hausmeister vor wenigen Tagen beauftragt, die flackernden Neonröhren, die ihn beim Lesen störten, auszutauschen. Die Lampen waren direkt über seinem Sessel im hinteren Teil des Raumes zwischen zwei Regalen montiert. In diesen Teil des Bücherturms fiel kein natürliches Licht, doch jetzt empfand er diese Lampen als extrem störend. Er kniff die Augen wieder zu und spürte die dröhnenden Kopfschmerzen, als wäre sein Pulsschlag fünfzigfach verstärkt und pumpte sein Blut schonungslos durch die feinen Aderverästelungen seines Gehirns. Zwischen den Schlägen gegen die Innenseiten der Schläfen meldeten sich undeutlich flimmernde Erinnerungsfetzen. Er hatte sich breitschlagen lassen, eine Tasse des spanischen Rotweins der besseren Sorte zu trinken, und sich dabei weiter mit Gunn Brita über Edgar Allan Poe unterhalten. Dann war die Sprache irgendwann auf die vielen seltenen Bücher der Bibliothek gekommen.
    Sie hatte überraschend viel über das Buch von Pater Johan nes zu erzählen gehabt, das sogenannte Johannesbuch , eine außergewöhnliche Textsammlung aus dem 16. Jahrhundert, geschrieben auf Pergament von einem Priester aus Fosen, der vor der Reformation Franziskanermönch gewesen war. Das Johannesbuch war einer der größten Schätze der Gunnerusbibliothek. Nach Absalon Peter Beyers Tagebuch war es eine der wichtigsten historischen Quellen über die Zeit unmittelbar nach der Reformation in Norwegen.Aber das Johannesbuch war entschieden rätselhafter und verwirrender als Beyers Tagebuch.Während dieses systematisch und fast gelehrt aufgebaut war und sich an ein breiteres Publikum richtete, war das Johannesbuch ein Buch mit sieben Siegeln, kryptisch und voller unverständlicher Allusionen. Es schien nur für die Augen des Priesters geschrieben zu sein, und an manchen Stellen konnte man sich fragen, ob der Träger dieser Augen noch wirklich zurechnungsfähig gewesen war. In
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