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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes
Autoren: J Brekke
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atemlos durch ihren Schatten radelte.Vielleicht ging das ein bisschen weit, aber zwischendurch glaubte er, dass ihn erst der Schatten der Domkirche dazu befähigte, die Arbeit zu machen, die auf ihn wartete.
    Am besten gefielen ihm die Samstage. Nein, eigentlich die Sonntage, aber das waren keine Arbeitstage im eigentlichen Sinn, sondern Tage, an denen er nach seinen Spaziergängen die ganze Bibliothek für sich hatte.
    Von den Arbeitstagen waren ihm die Samstage am liebsten, weil das eigentlich nur halbe Arbeitstage waren, eine Art Übergang ins Wochenende mit weniger Studenten, weniger Fragen und weniger Menschen bei der Arbeit. Der Bürotrakt war meistens verwaist, und in den Bücherturm kam nie jemand. Dort konnte er in aller Ruhe sitzen und den ganzen Samstag lesen, wenn er das wollte. Und manchmal wollte er das. Ja, vermutlich war das das Beste an den Samstagen. Er musste nicht arbeiten, war aber trotzdem da und konnte tun und lassen, was er wollte. Manchmal war er nur ein oder zwei Stunden in der Bibliothek. In der Regel, insbesondere in der letzten Zeit, verbrachte er deutlich mehr Zeit dort. Er hatte sich einen gemütlichen Sessel in die oberste Etage des Bücherturms gestellt, und es war sogar schon vorgekommen, dass er dort oben übernachtet hatte.
    Fuhr er über den Parkplatz der Hochschule und weiter zwischen dem Wissenschaftsmuseum und dem Suhmhuset mit der Mittelalterausstellung hindurch, hatte er den besten Überblick auf die Gunnerusbibliothek. Der Bücherturm stand wehrhaft und fest verankert im Boden da. Die rostrote Verschalung sollte von Weitem vielleicht an die kalbsledernen Buchrücken erinnern; das Problem war nur, dass die Bibliothek durch diese Farbgebung aus der Ferne kaum zu sehen war.Aus der Nähe erinnerten die Verschalungsplatten eher an eine aufgegebene, verfallene Fabrikhalle. Der morbide Charme von Verlorenheit, Verfall und Stilllegung unterstrich aber auf seltsame Weise die Würde, die ein Bücherturm haben sollte, und man ahnte beinahe schon von außen das Gewicht und den Wert der Bücher, die sich darin befanden. Der Turm sah aus, als versänke er jeden Tag ein paar Millimeter tiefer im Boden. In hundert Jahren würde der ganze Turm vermutlich in der Erde verschwunden sein, ohne dass diejenigen, die darin arbeiteten, überhaupt etwas davon mitbekamen. Der Rest des Gebäudes war eine Kombination aus Platten und Glas, und genau das verlieh der Gunnerusbibliothek ihre Eigenheit, eine Mixtur aus Leichtigkeit und Schwere, aus Alter und Moderne.
    Er stellte sein Fahrrad draußen ab, schloss es mit zwei Schlössern ab und versicherte sich, dass beide auch verriegelt waren, bevor er nach drinnen ging. Veronika, eine Archäologiestudentin, hatte Pförtnerdienst. Sie lächelte ihn an, und er nickte ihr zu. Als er die Tür zum Verwaltungstrakt öffnete, dachte er, dass er sie ruhig hätte anlächeln können. Aber er kannte seinen eigenen Ruf gut genug und wusste, dass es keinen Unterschied machte, ob er lächelte oder nicht.
    In der engen Garderobe, die nicht mehr als ein Kleiderständer im Flur vor dem Büro der Bibliothekarin war, zog er sich die Regensachen aus. Es war wichtig, Jacke und Hose getrennt voneinander aufzuhängen und dafür zu sorgen, dass Ärmel und Beine nicht verdreht waren und Wassertropfen hängen blieben, damit die Sachen schnell trockneten und sich kein muffiger Geruch bildete. Er ging sorgsam und systematisch vor. Drehte sich an der Tür des Büros aber noch einmal um und versicherte sich, dass die Ärmel der Jacke wirklich nicht umgekrempelt waren und sich Wasser in den Umschlägen gesammelt hatte.
    Der Verwaltungstrakt bestand aus einem Flur mit jeweils drei kleinen Büros auf jeder Seite.Am Ende des Flures lag ein großer Raum mit beigen Streifen an den Wänden und einem hässlich grünen Linoleumboden, der jeden Tag gewischt wurde, trotzdem aber immer staubig aussah. In der Mitte des Raumes stand ein großer, schwerer Tisch mit Metallbeinen, der selten für etwas anderes genutzt wurde, als dort Bücher abzulegen oder Kaffeetassen abzustellen.Von diesem Raum aus führten Türen zu fünf weiteren Büros. Diese waren größer und heller und hatten breitere Fenster. Die sechste Tür war aus Stahl und hatte zwei Kombinationsschlösser und führte in den Sicherheitstrakt der Bibliothek. Hinter ihr waren die wertvollsten Schriften aufbewahrt, Kalbslederfragmente aus dem Mittelalter, Gebetstexte, Erstausgaben von Tycho Brahe, Descartes, Holberg, Newton und so weiter.Werte
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