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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Autoren: Donna Leon
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Krawatte und Schuhe vereinten sich zu einem glorreichen Halleluja auf Reichtum, Macht und Erfolg.
    Der Anwalt bot Vianello zwar nicht die Hand, bedachte ihn aber mit einem knappen Nicken. Vater und Sohn Filippi gönnten den Polizisten nicht einmal das. Der Maggiore war in Zivil erschienen, aber wie der Donatinis zeugte auch sein Anzug so beredt von Wohlstand und Prestige, daß er einer Uniform in nichts nachstand. Er war schätzungsweise in Brunettis Alter, sah aber zehn Jahre jünger aus - was er entweder einer Gnade der Natur verdankte oder schweißtreibenden Stunden im Fitneßstudio. Die dunklen Augen und die lange, gerade Nase hatte er seinem Sohn vererbt.
    Donatini, der offenbar bei dem bevorstehenden Verhör Regie führen wollte, winkte Brunetti zu einem Platz am anderen Ende des rechteckigen Tisches und bedeutete Vianello, sich Vater und Sohn gegenüberzusetzen. So hatte er Brunetti im Blick, während die beiden anderen auf Vianello schauten.
    »Ich will Ihnen nicht Ihre kostbare Zeit rauben, Commissario«, begann der Anwalt. »Mein Mandant hat sich bereit erklärt, mit Ihnen über das tragische Ereignis in der Akademie zu sprechen.« Er suchte den Blick des Kadetten, und Filippi antwortete mit einem feierlichen Kopfnicken.
    Brunetti revanchierte sich mit einer, wie er fand, sehr zuvorkommenden Geste.
    »Wie sich herausgestellt hat«, fuhr der Anwalt fort, »kann mein Mandant etwas zur Aufklärung des Todes von Kadett Moro beitragen.«
    »Ich bin sehr gespannt«, sagte Brunetti, seine Neugier in höfliche Zurückhaltung kleidend.
    »Mein Mandant war -«, begann Donatini. Doch da hob der Commissario die Hand, sachte nur und nicht sehr hoch, um ihm Einhalt zu gebieten. »Wenn Sie gestatten, Avvocato, würde ich die Aussage Ihres Mandanten gern auf Band aufnehmen.«
    Diesmal war es der Anwalt, der Höflichkeit bezeigte und mit einem nur angedeuteten Nicken sein Einverständnis gab.
    Brunetti beugte sich vor - wie oft hatte er das nicht schon getan - und schaltete das Mikrophon ein. Er gab Datum und Uhrzeit an, nannte seinen Namen und Dienstgrad und stellte die übrigen Personen im Raum vor.
    »Mein Mandant -«, begann Donatini wieder, und wieder sah sich Brunetti genötigt, ihn mit erhobener Hand zum Schweigen zu bringen.
    »Ich denke, es wäre besser, Avvocato«, sagte er und schaltete für einen Moment das Mikrophon aus, »wenn Ihr Mandant für sich selbst spricht.« Bevor der Anwalt etwas einwenden konnte, fuhr Brunetti mit geschmeidigem Lächeln fort: »Das würde von größerer Bereitschaft zur Offenheit zeugen. Und außerdem dürfte es ihm dann leichter fallen, eventuelle Ungereimtheiten klarzustellen.« Brunetti stellte befriedigt fest, wie elegant es ihm gelungen war, sich ein Recht darauf zu sichern, den Jungen gegebenenfalls ins Kreuzverhör zu nehmen.
    Donatini sah Maggiore Filippi an, der bisher unbeweglich und stumm dagesessen hatte. »Nun, Maggiore?« fragte er höflich.
    Filippi nickte, worauf sein Sohn sich straffte, wie zum Salut.
    Brunetti lächelte dem Jungen zu und schaltete das Mikrophon wieder ein.
    »Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?« sagte er.
    »Paolo Filippi.« Er sprach lauter und deutlicher als bei der ersten Vernehmung, wahrscheinlich zugunsten des Mikrophons.
    »Und Sie sind Absolvent der Militärakademie San Martino in Venedig?«
    »Ja.«
    »Können Sie mir sagen, was sich in der Nacht vom dritten auf den vierten November in der Akademie zugetragen hat?«
    »Sie meinen mit Ernesto?« fragte der Junge.
    »Ja, ganz recht, meine Frage bezieht sich auf die Umstände, die zum Tod des Kadetten Ernesto Moro führten.«
    Der Junge schwieg so lange, daß Brunetti schließlich fragte: »Haben Sie Ernesto Moro gekannt?«
    »Ja.«
    »War er ein Freund von Ihnen?«
    Der Junge schüttelte den Kopf, doch bevor Brunetti ihn an das Mikrophon erinnern konnte, sagte Paolo: »Nein, wir waren nicht befreundet.«
    »Und warum nicht?«
    Erstaunt sah der Junge ihn an. »Er war ein Jahr jünger als ich und eine Klasse unter mir.«
    »Gab es sonst noch Gründe, die einer Freundschaft zwischen Ihnen und Ernesto Moro im Weg standen?«
    Der Junge dachte einen Augenblick nach und verneinte dann.
    »Könnten Sie uns nun schildern, was in jener Nacht geschah?«
    Als der Junge längere Zeit nicht antwortete, wandte sein Vater sich ihm mit einer winzigen Drehung des Kopfes zu und nickte leicht.
    Da beugte Paolo sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas zu, wovon Brunetti nur ein »Muß ich?«
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