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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Autoren: Donna Leon
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sollten.
    Und da begriff der Commissario, daß es sinnlos gewesen war, hierher zu eilen und Cappellini unter Druck zu setzen. Filippi hatte einen Köder ausgelegt, und er war darauf hereingefallen. Es bestand nicht die geringste Hoffnung, daß Cappellini sein Geständnis vor Gericht wiederholen würde; sobald er sich mit besonneneren Leuten beriet, sobald seine Familie auf ihn einwirken konnte, sobald ein Anwalt ihnen die unausweichlichen Folgen einer Konfrontation mit der Justiz auseinandersetzte, würde der Junge mit Sicherheit alles widerrufen. Sosehr Brunetti auch auf seine Aussage angewiesen war - er mußte einsehen, daß kein vernünftiger Mensch zugeben würde, von einem Verbrechen gewußt, es aber der Polizei verschwiegen zu haben; und schon gar nicht würde man eine solche Torheit seinen Kindern gestatten.
    Nicht einmal er hätte seine Kinder in einer vergleichbaren Situation aussagen lassen. Gewiß, als Polizeibeamter war er gehalten, sie unter Hinweis auf das staatliche Zeugenschutzprogramm dazu zu ermuntern, aber als Vater wußte er, daß ihre einzige Chance, einen Zusammenstoß mit der magistratura, unversehrt zu überstehen, auf der Stellung ihres Vaters und, mehr noch, auf dem Reichtum ihres Großvaters beruhen würde.
    »Fahren wir zurück«, sagte er und ging dem verblüfften Pucetti voran auf die Treppe zu.

26
    A uf dem Rückweg zur Questura setzte der Commissario Pucetti die gesetzliche Regelung zur Befragung Minderjähriger auseinander. Falls Cappellini ihnen die Wahrheit gesagt hatte - und daran zweifelte Brunetti keinen Augenblick -, dann hatte er sich strafbar gemacht, weil er nicht von sich aus Anzeige erstattet hatte. Allerdings wog ein solches Vergehen nicht schwerer als eine Ordnungswidrigkeit. Filippi dagegen - und mit ihm vermutlich auch seine Komplizen Zanchi und Maselli - hatte ein Kapitalverbrechen begangen, das mit der vollen Härte des Gesetzes geahndet werden würde. Bloß, solange Cappellini seine Aussage nicht in Gegenwart eines Anwalts wiederholte und zu Protokoll gab, war sie juristisch nicht verwertbar.
    Die einzige Hoffnung, die ihnen noch blieb, war die, Filippi mit der gleichen Strategie zu überlisten, die sich schon bei seinem Zimmergenossen bewährt hatte: so tun, als wisse man bereits, wie Moro zu Tode gekommen war, und darauf hoffen, daß man den Jungen mit Fragen nach noch ungeklärten Details dazu verleiten konnte, ihnen den Tathergang zu verraten.
    Vor der Questura sprang Pucetti mit dem Ankertau an Land und zog das Boot längsseits an den Pier. Brunetti bedankte sich beim Bootsführer, dann folgte er Pucetti. Schweigend gingen sie hinunter zu den Verhörräumen, wo sie Vianello auf dem Flur antrafen.
    »Sind sie noch drin?« fragte Brunetti.
    Vianello nickte und sah erst auf seine Uhr, dann auf die geschlossene Tür. »Seit über einer Stunde.« »Konnten Sie was hören?« fragte Pucetti.
    Vianello schüttelte den Kopf. »Kein Wort. Vor einer halben Stunde bin ich rein und habe gefragt, ob sie was zu trinken wollen, aber der Anwalt hat mich gleich wieder rausgeschickt.«
    »Und der Junge? Wie sieht er aus?« fragte Brunetti.
    »Besorgt.«
    »Gut. Und der Vater?«
    »Genauso.«
    »Wer ist der Anwalt?«
    »Donatini«, sagte Vianello betont beiläufig.
    »Sieh an!« entfuhr es Brunetti. Bemerkenswert, daß Maggiore Filippi den berühmtesten Strafverteidiger der Stadt engagierte, um seinen Sohn zu vertreten.
    »Hat er schon was gesagt?« fragte Brunetti.
    Vianello schüttelte den Kopf.
    Ein paar Minuten standen die drei Männer noch auf dem Gang herum, bis Brunetti es leid wurde, Vianello und Pucetti in den Bereitschaftsraum schickte und sich in sein Büro begab. Dort wartete er fast eine geschlagene Stunde, bevor Pucetti ihn anrief und sagte, Avvocato Donatini lasse ausrichten, sein Mandant sei zu einer Aussage bereit.
    Brunetti verabredete sich mit Vianello vor dem Verhörraum, ließ sich aber absichtlich Zeit, ehe er nach unten ging, wo Vianello bereits auf ihn wartete. Brunetti nickte, Vianello öffnete die Tür und ließ seinem Chef den Vortritt.
    Donatini erhob sich und streckte Brunetti die Hand hin. Er lächelte sein smartes Lächeln, und Brunetti fiel auf, daß er sich seit ihrer letzten Begegnung aufwendig die Zähne hatte richten und die Jacketkronen à la Pavarotti im Oberkiefer durch dezente Verblendschalen hatte ersetzen lassen, die vorteilhafter mit den Gesichtsproportionen harmonierten. Ansonsten war er unverändert: Sonnenbräune, Designeranzug,
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