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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Autoren: Donna Leon
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verstand.
    »Ja«, sagte der Maggiore mit fester Stimme.
    Der Junge wandte sich wieder Brunetti zu. »Es fällt mir sehr schwer«, sagte er mit unsicherer Stimme.
    »Erzählen Sie einfach der Reihe nach«, ermunterte ihn Brunetti und dachte an seinen eigenen Sohn und all das, was Raffi ihm im Lauf der Jahre hatte beichten müssen; auch wenn sicher nichts davon an die Ungeheuerlichkeit heranreichte, die vermutlich auf dem Gewissen dieses Jungen lastete.
    »Ich war ...«, begann Paolo, hüstelte nervös und fing noch einmal von vorn an. »Ich war in dieser Nacht mit ihm zusammen.«
    Brunetti hielt es für das beste, jetzt nichts zu sagen, und so blickte er den Jungen nur weiter aufmunternd an.
    Paolos Blick schweifte zum Kopfende des Tisches, wo Donatini saß und ihm väterlich zunickte.
    »Ich war mit ihm zusammen«, wiederholte der Junge.
    »Wo?«
    »Im Waschraum.« Normalerweise dauerte es sehr viel länger, bevor jemand ein Geständnis ablegte. Die meisten mußten erst langsam darauf hinarbeiten und all die verhängnisvollen Umstände aufzählen, die, zumindest in ihren Augen, am Ende unausweichlich zu der Tat geführt hatten.
    »Wir waren zusammen in einer Dusche«, sagte der Junge und stockte wieder.
    Brunetti sah Donatini an, doch der preßte nur die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    Aber das Schweigen währte so lange, daß der Anwalt schließlich doch eingriff: »Sag es ihm, Paolo.«
    Der Junge räusperte sich, sah Brunetti an, wollte sich seinem Vater zuwenden, unterließ es aber und sprach den Commissario direkt an: »Wir haben so rumgemacht«, sagte er und stockte.
    Einen Moment lang hatte es den Anschein, als sei das alles, was er sagen würde, aber dann fügte er hinzu: »An uns - gegenseitig.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti. »Bitte sprechen Sie weiter.«
    »Viele von uns machen das«, erklärte der Junge so leise, daß Brunetti Sorge hatte, ob es für das Mikrophon ausreichen würde. »Ich weiß, daß es unrecht ist, aber es tut ja niemandem weh, und wenn es alle machen ...«
    Brunetti schwieg, und der Junge fuhr fort: »Wir haben schon Mädchen. Aber eben zu Hause. Und es ist so schwer, sich ... und ...« Seine Stimme versagte.
    Brunetti vermied es, den Vater anzusehen, und wandte sich statt dessen an Donatini. »Verstehe ich recht, daß Ihr Mandant und der Kadett Moro gegenseitig sexuelle Handlungen aneinander vorgenommen haben?« Er hielt es für angezeigt, sich so klar wie möglich auszudrücken.
    »Es geht um Masturbation, ja«, bestätigte Donatini.
    Die Zeit, da er so jung gewesen war wie Paolo Filippi, lag um Jahrzehnte zurück; trotzdem verstand Brunetti nicht, warum Paolo die Sache gar so peinlich war. Es handelte sich um spätpubertierende Jungs, die, bedingt durch die Internatssituation, tagein, tagaus nur unter sich waren. Daß es da zu sexuellen Erlebnissen kam, verwunderte ihn nicht - das Verhalten Paolos dagegen sehr wohl.
    »Drücken Sie sich bitte etwas deutlicher aus«, sagte Brunetti und hoffte, was immer er zu hören bekam, würde ihm helfen, Licht in den Fall zu bringen.
    »Ernesto war anders«, begann Paolo. »Ihm reichte es nicht, das zu tun, was - na ja, was wir eben so machen. Er wollte immer noch ganz andere Dinge.«
    Brunetti behielt den Jungen fest im Blick, um ihn durch seine ungeteilte Aufmerksamkeit zum Sprechen zu bringen.
    »In der Nacht erzählte er mir, er habe etwas in einer Illustrierten gelesen, etwas ganz Aufregendes. Oder vielleicht war es auch eine Zeitung.« Paolo stockte, und Brunetti sah, wie er diesem läppischen Detail nachgrübelte. Endlich sagte er: »Nein, ich weiß nicht mehr, wo er es herhatte, aber er wollte es unbedingt ausprobieren.« Und wieder schwieg er.
    »Was ausprobieren?« fragte Brunetti. Einen Moment lang glitt sein Blick von dem Jungen zum Vater, und er sah, wie der Maggiore den Kopf gesenkt hielt und so blicklos auf den Tisch starrte, als wünschte er sich meilenweit fort aus diesem Raum, wo sein Sohn einem Polizisten ein derartiges Geständnis machen mußte.
    »Er sagte, wenn man es so machte, wie er es gelesen hatte, dann hätte man viel mehr davon«, fuhr der Junge fort.
    »Aber dazu mußte er sich eine Schlinge um den Hals legen und sich ein bißchen würgen, wenn er ... na ja, wenn er es machte. Und darum wollte er mich dabeihaben, damit nichts schiefgehen würde.«
    Der Junge seufzte tief, pumpte Luft in die Lunge und machte sich bereit für die letzte Hürde. »Ich habe ihm gesagt, daß er verrückt sei, aber er wollte
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