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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
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was.«
    »Nenn mir mal ein Beispiel«, drängte Brunetti, und als er merkte, wie ungehalten seine - Stimme klang, fügte er hinzu: »Es ist wichtig.«
    »Wenn es das ist, was wir in der Röntgentherapie verwenden, das wird in einzelnen Behältern transportiert.«
    »Wie groß sind die?«
    »So groß wie ein Koffer. Vielleicht sogar kleiner, wenn es für kleinere Geräte oder geringere Dosierungen gedacht ist.«
    »Verstehst du etwas von der anderen Sorte, Sergio?«
    »Es gibt viele andere Sorten.«
    »Ich meine die für Bomben. Er war in Weißrussland«
    Kein Ton kam durch die Leitung, nur die absolute Stille, die das neue Lasernetz der Telecom bewerkstelligte, aber Brunetti hatte das Gefühl, die Räder in Sergios Gehirn arbeiten zu hören.
    »Aha«, war alles, was sein Bruder sagte. Und dann: »Solange der Behälter mit genug Blei ausgelegt ist, kann er sehr klein sein. Etwa Aktenkoffergröße. Er wäre zwar schwer, aber klein.«
    Diesmal entfuhr Brunetti ein Seufzer. »Und das würde reichen?«
    »Ich weiß nicht, woran du denkst, Guido, aber wenn du meinst, ob es für eine Bombe reichen würde, ja. Es wäre mehr als genug.«
    Damit blieb ihnen beiden nicht mehr viel zu sagen. Nach einer langen Pause riet Sergio: »Ich würde mal mit einem Geigerzähler über die Fundstelle der Leiche gehen. Und über die Leiche.«
    »Ist das denkbar?« fragte Brunetti, ohne erklären zu müssen, was er meinte.
    »Ich glaube, ja.« In Sergios Ton mischte sich die Gewissheit des Experten mit der Trauer des Menschen. »Die Russen haben ihnen sonst nichts gelassen, was sie verkaufen könnten.«
    »Dann Gnade uns allen Gott«, sagte Brunetti.

26
    Brunetti war von Berufs wegen schon lange an all die Gräuel und vielerlei Schändlichkeiten gewöhnt, die Menschen einander zufügten, eigentlich sogar allen um sie herum, aber keine bisherige Erfahrung hatte ihn auf so etwas vorbereitet. Was das Telefongespräch mit Sergio ihm offenbart hatte, Überschritt die Grenze zum Undenkbaren. Unschwer konnte Brunetti sich einen groß angelegten Waffenhandel vorstellen; er konnte es sogar als Tatsache hinnehmen, dass Waffen auch an die verkauft wurden, von denen die Verkäufer wussten, dass sie Mörder waren. Wenn sich aber das, was er mutmaßte - oder befürchtete -, als wahr herausstellte, Übertraf es an Bösartigkeit alles, was er aus eigener Anschauung kannte.
    Brunetti zweifelte keine Sekunde daran, dass die Lorenzonis in den illegalen Handel mit Nuklearmaterial verwickelt waren, ebenso wenig zweifelte er daran, dass dieses Material für Waffen bestimmt war: Es gibt keine illegalen Röntgengeräte. Außerdem war es ihm unmöglich zu glauben, dass Roberto so etwas eingefädelt haben könnte. Alles, was er Über den Jungen wusste, sprach von Einfallsarmut und Antriebslosigkeit; er war nicht der Mann, der hinter einem Handel mit nuklearem Material stecken könnte.
    Wer kam dafür eher in Frage als Maurizio, der intelligente Neffe, der geeignetere Erbe? Er war der ehrgeizige junge Mann, der die kommerziellen Möglichkeiten des nächsten Jahrtausends ins Auge fasste, der auf die riesigen neuen Märkte im Osten blickte. Seinem Bestreben, die Lorenzonischen Unternehmen zu neuen Triumphen zu führen, stand nur sein einfältiger Vetter Roberto im Wege, der Junge, den man zum Bringen und Holen einsetzen konnte wie einen gutmütigen Familienhund.
    In Frage stand für Brunetti nur das Ausmaß, in dem der Conte in die Sache verwickelt war. Er konnte sich schwer vorstellen, dass ein solches Unterfangen, an dem das gesamte Lorenzoni-Imperium zugrunde gehen konnte, ohne Wissen und Einverständnis des Conte möglich gewesen wäre. Hatte er die Entscheidung getroffen, seihen Sohn nach Weißrussland zu schicken, um das tödliche Material zu holen? Wer wäre geeigneter und unauffälliger gewesen als der Playboy mit seinen Huren auf Kreditkarte? Wenn er genug Champagner trank, wer würde dann noch danach fragen, was in seinem Aktenkoffer war? Wer durchsucht schon das Gepäck eines Trottels?
    Brunetti glaubte nicht, dass Roberto überhaupt gewusst hatte, was er da transportierte. Sein Bild von dem Jungen ließ das nicht zu. Aber wie war es dann dazu gekommen, dass er den tödlichen Strahlen dieses Materials ausgesetzt worden war? Brunetti versuchte sich den Jungen vorzustellen, den er nie gesehen hatte, sah ihn in einem protzigen Hotel, die Huren waren nach Hause gegangen, und er saß allein in seinem Zimmer, allein mit dem Koffer, den er in den Westen bringen
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