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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
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angekommen waren. Dort erwartete sie bereits die Presse. Niemand hatte je erfahren, wer sie verständigt hatte.
    Von Anfang an war die ganze Geschichte so präsentiert worden, dass sie an das Mitleid und jene gedankenlose Sentimentalität appellierte, die Brunetti an seinen Landsleuten so wenig schätzte. Fotos waren erschienen, herbeigezaubert von denen, die sich auf billige Effekte verstanden: Roberte bei der Feier zu seinem achtzehnten Geburtstag, den Arm um die Schulter seines Vaters gelegt; ein jahrzehntealtes Foto von der Contessa beim Tanz mit ihrem Mann, beide elegant und strahlend von Jugend und Reichtum; sogar der arme Maurizio schaffte es auf die Zeitungsseiten: Ein Foto zeigte ihn auf der Riva degli Schiavoni, sinnigerweise drei Schritte hinter seinem Vetter Roberte.
    Frasetti und Mascarini hatten sich zwei Tage nach der Verhaftung des Conte in der Questura eingefunden, begleitet von zwei Lorenzonischen Anwälten.
    Ja, es sei Maurizio gewesen, der sie angeheuert habe, Maurizio, der die Entführung geplant und ihnen gesagt habe, was sie tun sollten, Sie blieben dabei, daß Roberte eines natürlichen Todes gestorben sei und Maurizio ihnen befohlen habe, seinem toten Vetter eine Kugel in den Kopf zu schießen, um die wahre Todesursache zu vertuschen. Und beide verlangten eine gründliche ärztliche Untersuchung, um festzustellen, ob sie in der Zeit, die sie mit ihrem Opfer verbracht hatten, womöglich selbst verstrahlt worden waren. Die Untersuchung fiel negativ aus. »Er hat es getan«, wiederholte Brunetti, wobei er Paola seinen Becher wieder aus der Hand nahm und den Tee austrank. Er drehte sich zur Seite und wollte ihn auf sein Nachttischchen stellen, aber Paola nahm ihm den Becher ab und legte die Hände um das noch warme Gefäß.
    »Und dafür kommt er ins Gefängnis«, sagte sie.
    »Darum geht es mir nicht«, erklärte Brunetti.
    »Worum geht es dir dann?«
    Brunetti ließ sich tiefer in sein Bett sinken und zog die Decken bis ans Kinn. »Wirst du mich auslachen, wenn ich sagte, daß es mir um die Wahrheit geht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Aber was spielt das für eine Rolle?«
    Er streckte eine Hand unter der Decke hervor, nahm ihr den Becher ab und stellte ihn auf den Nachttisch, dann nahm er ihre Hände in die seinen. »Für mich spielt es eine Rolle, glaube ich.«
    »Warum?« fragte sie, obwohl sie es zu wissen glaubte.
    »Weil ich es unerträglich finde, wenn ich solche Leute, Leute wie ihn, durchs Leben gehen sehe, ohne daß sie für ihre Taten je bezahlen müssen.«
    »Findest du den Tod seines Sohnes und seines Neffen nicht genug?«
    »Paola, er hat diese Männer dafür gedungen, den Jungen umzubringen; zu entführen und dann umzubringen. Und dann hat er kaltblütig seinen Neffen erschossen.«
    »Das weißt du nicht«, wandte sie ein.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht beweisen und werde es nie beweisen können. Aber ich weiß es so sicher, als wäre ich dabeigewesen.« Paola sagte nichts dazu, und ihr Gespräch versiegte für eine Weile.
    Schließlich sagte Brunetti: »Der Junge wäre sowieso gestorben. Aber denk mal daran, was er vorher durchzumachen hatte, die Angst, die Ungewißheit, was mit ihm geschehen würde. Das ist es, was ich dem Mann nie verzeihen werde.«
    »Es steht dir nicht an, zu verzeihen, Guido, oder?« fragte sie, aber ihr Ton war liebevoll. Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht. Aber du weißt, was ich meine« Als Paola nicht gleich antwortete, fragte er: »Oder nicht?«
    Sie nickte und drückte seine Hand. »Doch.« Und noch einmal: »Doch.«
    »Was tätest du denn?« fragte er unvermittelt.
    Paola ließ seine Hand los und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wie meinst du das? Wenn ich Richter wäre? Oder wenn ich Robertos Mutter wäre? Oder wenn ich du wäre?«
    Er lächelte wieder. »Das klingt so, als wolltest du, daß ich endlich Ruhe gebe, stimmt's?«
    Paola stand auf und bückte sich, um die Zeitungen einzusammeln. Sie faltete sie, legte sie zusammen und drehte sich wieder zum Bett um. »Ich habe in letzter Zeit oft über die Bibel nachgedacht«, sagte sie, sehr zu Brunettis Verwunderung, denn er kannte sie als den areligiösesten Menschen überhaupt.
    »Die Sache mit dem Auge um Auge«, fuhr sie fort. Er nickte, und sie sprach weiter: »Früher habe ich das als das Schlimmste angesehen, was dieser furchterregende Gott zu sagen hat, diesen Ruf nach Vergeltung, diesen Blutdurst.« Sie drückte die
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