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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
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Brunetti.
    »Was meinen Sie mit ›geht nicht mehr‹?«
    »Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um etwas weit Komplizierteres als eine Entführung gehandelt hat.«
    Der Conte schien sich plötzlich seiner Gastgeberrolle zu entsinnen. Er winkte Brunetti zu einem Stuhl und schaltete das leise Surren des Computers ab. Dann fragte er: »Was sind das für Informationen?«
    »Ihre Firma, oder Firmen, haben viel mit osteuropäischen Ländern zutun.«
    »Ist das eine Feststellung oder eine Frage?« wollte der Conte wissen.
    »Ich glaube, beides. Ich weiß, dass Sie dort Geschäftsinteressen haben, aber ich weiß nicht, wie umfangreich sie sind.« Brunetti wartete einen Augenblick, und gerade als der Conte zu sprechen anfangen wollte, fügte er hinzu: »Oder welcher Art diese Geschäfte sind.«
    »Signor... entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen«, begann der Conte.
    »Brunetti.«
    »Signor Brunetti, die Polizei hat i meine Familie jetzt zwei Jahre lang durchleuchtet. Das dürfte lange genug sein, sogar für die Polizei, um sich über Art und Umfang meiner Geschäfte in Osteuropa umfassend zu informieren.«
    Als Brunetti auf die Provokation nicht einging, fragte der Conte: »Oder stimmt das vielleicht nicht?«
    »Wir haben vieles über Ihre dortigen Geschäfte in Erfahrung gebracht, das ist richtig, aber jetzt habe ich noch etwas herausgefunden, was in den Informationen, die Sie oder Ihr Neffe uns gegeben haben, nie erwähnt wurde.«
    »Und was soll das sein?« fragte der Conte in einem Ton, der jegliches Interesse an dem, was dieser Polizist ihm sagen könnte, vermissen ließ.
    »Handel mit Atomwaffen«, sagte Brunetti ruhig, und erst als er es sich aussprechen hörte, wurde ihm klar, wie dürftig seine Beweise waren, wie voreilig der Eifer, mit dem er durch die halbe Stadt geeilt war, um diesen Mann zur Rede zu stellen.
    Sergio war kein Arzt, und Brunetti hatte sich nicht die Mühe gemacht, Robertos Überreste oder ihren Fundort auf Spuren von Verstrahlung zu untersuchen. Ebenso wenig hatte er versucht, mehr über die Ostinteressen des Lorenzoni-Konzerns herauszufinden. Nein, er war aufgesprungen wie ein Kind, wenn der Eismann seine Glocke läutet, und quer durch die Stadt gerannt, um vor diesem Mann den Polizisten zu spielen.
    Das Kinn des Conte fuhr hoch, sein Mund wurde zu einem dünnen Strich, und er wollte zu sprechen anfangen, aber dann ging sein Blick über Brunetti hinweg nach, links, zur Tür, wo plötzlich und lautlos seine Frau erschienen war. Er stand auf und ging auf sie zu, und auch Brunetti erhob sich höflich. Als er aber die Frau an der Tür etwas genauer ansah, war er sich nicht mehr sicher, ob diese gebeugte, zerbrechliche Alte, die sich mit einer Hand, die eher einer Klaue glich, auf einen hölzernen Stock stützte, wirklich die Contessa war. Brunetti sah, dass ihre Augen trüb geworden waren, als hätte die Trauer schwarzen Rauch in sie hineingeweht.
    »Ludovico?« sagte sie mit zittriger Stimme.
    »Ja, mein Herz«, antwortete er, indem er sie beim Arm nahm und ein paar Schritte weit ins Zimmer führte.
    »Ludovico?« sagte sie noch einmal.
    »Was ist denn, Liebes?« fragte er Und beugte sich zu ihr hinunter, noch weiter hinunter jetzt, da sie so klein geworden schien.
    Sie blieb stehen, legte beide Hände auf den Knauf ihres Stocks und sah zu ihm auf. Ihr Blick schweifte zur Seite, dann wieder zu ihm. »Ich habe vergessen«, sagte sie, begann zu lächeln, vergaß aber auch das wieder. Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie sah ihren Mann an, als Wäre er ein fremdes, bedrohliches Wesen in diesem Zimmer. Sie hob einen Arm und streckte ihm abwehrend die Hand entgegen, wie um sich vor Schlägen zu schützen. Aber dann schien sie auch das wieder vergessen zu haben, drehte sich um und verließ, den Stock suchend vorgestreckt, das Zimmer. Die beiden Männer hörten, wie das Tappen des Stocks sich über den Korridor entfernte. Eine Tür klappte zu, und sie waren wieder allein.
    Der Conte kehrte an seinen Platz hinter dem Schreibtisch zurück, doch als er sich setzte und Brunetti ansah schien es, als habe die Contessa ihn mit ihrem Alter angesteckt, denn seine Augen waren trüber geworden, sein Mund war nicht mehr so hart wie vor ihrem Auftritt.
    »Sie weiß Bescheid«, sagte er, und seine Stimme klang düster vor Verzweiflung. »Aber wie sind Sie darauf gekommen, Commissario?« fragte er Brunetti in einem Ton, der so müde war wie vorhin der seiner Frau. Brunetti setzte sich
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