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Bruderherz

Titel: Bruderherz
Autoren: Blake Crouch
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könnten sie jeden Augenblick in einer Pfütze auf dem Boden versinken.
    »Setz dich«, sagte er und zeigte auf ein schwarzes Ledersofa, das links an der Wand stand. Während ich das Wohnzimmer betrat, warf ich einen Blick zurück. Am Ende des kurzen Flurs lagen nebeneinander zwei Räume, die offensichtlich den gesamten hinteren Teil der Hütte bildeten. Links mein Zimmer und rechts daneben eine Tür ohne Riegel und Guckloch. Zwischen den Türen hing an einem Querbalken ein kleiner Monet, auf dem ein Ruderboot unter einer Steinbrücke zu sehen war.
    Die Wohnzimmerwände waren vom Fußboden bis zur Decke mit Büchern zugestellt. Sie füllten etwas vorstehende, handgezimmerte Regale und ihre Titelvielfalt verschlug mir die Sprache. Am Ende eines Regals erkannte ich die bunten Schutzumschläge der fünf Romane, die ich geschrieben hatte.
    Mein Bruder ging auf die andere Seite des Raums, auf der sich eine winzige Küche befand. Neben der Eingangstür stand ein Plattenspieler auf einem Hocker, daneben lag ein bestimmt ein Meter hoher Stapel mit Schallplatten. Orson schaute mich an und ließ lächelnd die Nadel auf eine Schallplatte herab. »Freddie Freeloader« erschallte aus zwei großen Lautsprechern und ließ mich aufs Sofa sinken.
    Während ich dem Song lauschte, setzte sich Orson ans andere Sofaende. Die Art, wie er mich anstarrte, machte mich nervös. Ich hätte mir gewünscht, meine Brille zu tragen.
    »Könntest du mir jetzt nicht meine Sachen wiedergeben?«
    »Oh, meinst du etwa das hier?« Lässig zog er meinen .357er Revolver aus seiner Jeanstasche. »Hatte ich dich nicht angewiesen, deine Smith & Wesson nicht mitzubringen?« In seiner Stimme schwang beißender Sarkasmus mit, seine Augen weiteten sich und er durchbohrte mich mit einem kalten Blick.
    »Tut mir Leid«, sagte ich und rutschte dabei mit trockenem Mund unruhig auf dem Sofa hin und her. »Hättest du nicht das Gleiche getan? Ich meine, ich wusste doch nicht…«
    »Versuch nicht, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben.« Er ging zum Plattenspieler und hob die Nadel an. In der Hütte war es totenstill, als er sich in die Mitte des Wohnzimmers stellte.
    »Du hast mich verarscht, Andy. Ich hab gesagt, du sollst nur Kleidung und Waschzeug mitbringen, stattdessen hast du einen Revolver und Patronen mitgebracht.« Er sprach so zwanglos, als säßen wir Zigarre rauchend auf einer Veranda.
    »Wenn du dich nicht an meine Anweisungen hältst, tut uns das beiden weh. Du wirst sehen, dass es nicht in deinem Interesse ist, mir nicht zu gehorchen.« Er öffnete die Trommel des .357ers und zeigte mir die fünf leeren Kammern. »Du hast es ein Mal versaut, also wollen wir eine Kugel laden.« Er holte eine Patrone aus seiner Tasche und schob sie in eine der Kammern.
    Mir wurde schlecht vor Angst. »Orson, nicht.«
    »Andy, Andy, Andy. Sag einem Mann mit einer geladenen Waffe nie, was er tun und lassen soll.« Er drehte die Trommel, drückte sie wieder in die Waffe und entsicherte den Abzug. »Glaub mir, dass diese Strafe auch mich selbst trifft. Ich tu das nicht als Nervenkitzel. Es hat mich viel Mühe gekostet, dich hierher zu kriegen, und immerhin besteht eine zwanzigprozentige Chance, dass dich dein Glück plötzlich verlässt und die Kugel in der richtigen Kammer liegt und dir den Arsch wegreißt, dann hab ich mir eine Menge Arbeit umsonst gemacht. Aber ich bin bereit, das Risiko einzugehen, um dich zu lehren, meinen Anweisungen Folge zu leisten.«
    Als er die Waffe auf meine Brust richtete, hob ich hilflos meine Hände. Er drückte den Abzug… klick… und biss erneut in seinen Apfel. Ich konnte kaum noch atmen und verbarg das Gesicht in den Händen, während Orson die Nadel zurück auf die Schallplatte setzte. Die Musik erklang wieder, er schnippte mit den Fingern den Takt und lächelte mir herzlich zu, während er zum Sofa zurückging. Nachdem er die Patrone aus der Kammer genommen hatte, legte er die Waffe auf den Boden und ließ sich wieder neben mir auf das Sofa fallen. Eine Welle der Übelkeit überkam mich, dass ich dachte, ich müsste mich übergeben.
    Gottverdammter Mist, er hat völlig den Verstand verloren! Ich werde sterben. Ich bin mit einem Psychopathen allein in einer Wüste und der Psychopath ist mein verdammter Bruder.
    »Andy, du kannst jetzt frei im Haus und in der Wüste herumlaufen. Die Scheune draußen ist tabu, und jeden Abend, wenn du zu Bett gegangen bist, werde ich deine Tür verriegeln. Du brauchst nicht mehr in die Schüssel zu
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