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Bruderherz

Titel: Bruderherz
Autoren: Blake Crouch
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umklammerte mit der anderen Hand das Messer. »Glaub nicht, dass ich nicht stolz auf dich wäre, Andy. Besser, du beißt jetzt die Zähne zusammen.«
    Es klopfte an der hinteren Tür. Orsons Körper wurde steif. »Nur einen Mucks«, flüsterte er, während er sich erhob, »und ich schwöre bei Gott, dass ich dich tagelang am Leben lasse.« Er legte das Messer auf den Hocker, ging zur Tür und zog die Pistole.
    Percy Maddings Stimme war durch die Tür zu hören: »Dave, sind Sie da drin? Alles in Ordnung?«
    Ich versuchte mich auf der Plastikplane aufzusetzen.
    Orson gab acht Schüsse durch das Holz ab und zielte dabei auf Brusthöhe. Als er sich zu mir umwandte, lächelte er. »Das, Andy, nennt man ein…«
    Der Knall einer Schrotflinte erschütterte die Tür und Orsons Brust wurde von einer vollen Ladung 4-mm-Schrot getroffen. Es riss ihn von den Füßen und warf ihn auf den Rücken, als hätte ihn jemand umgehauen. Orson mühte sich auf alle viere und starrte mich verwundert an, während kleine Blutklümpchen aus seiner Brust zu Boden fielen. Percy brach durch die Tür und kickte ihm mit dem Fuß die Pistole aus der Hand. Mein Bruder kroch in meine Richtung, fiel dann aber wieder keuchend zu Boden, sein Atem ging nur noch flach und stoßweise.
    Percy lehnte seine Doppelflinte gegen den Türrahmen, näherte sich der Plastikplane und hockte sich neben mich. Da er nur oberflächlich atmete, wusste ich, dass er getroffen war. Er schaute verwundert auf den Pfahl, die Leine, die Plane und den zackigen, blutigen Kreis auf meiner Brust.
    »Hat er den Schlüssel zu den Handschellen bei sich?«, fragte er schroff und zwirbelte dabei an seinem vereisten Schnurrbart herum. Seine Stimme klang kräftig, aber seine Hände zitterten. Als ich nickte, ging er hinüber zu Orson und durchsuchte dessen Taschen, bis er den Schlüssel fand. Er wies mich an, mich auf den Bauch zu rollen, und nachdem er die Handschellen aufgeschlossen hatte, zog er ein Jagdmesser aus dem Gürtel und zerschnitt das Seil, das meine Füße gefesselt hatte.
    »Sind Sie getroffen?«, fragte ich. Er tastete seine Seite ab. Daunen quollen aus einem Loch in seiner Schutzweste.
    »Nur ein Streifschuss«, erwiderte er, während ich mein Halsband öffnete. »Wie ich sehe, haben Sie was an der Schulter abbekommen. Hohlspitzgeschosse, oder?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann steckt die Kugel immer noch drin.« Percy ging wieder zu Orson und presste zwei Finger an seinen Hals. »Ist das Ihr Bruder?«, fragte er und wartete auf einen Puls. Ich nickte. »Was zur Hölle hat er mit Ihnen gemacht?« Ich schwieg. »Schätze, wir suchen besser ‘nen Arzt auf.«
    Ich stand auf, ging zur Hintertür und sagte: »Ich muss erst noch ein paar Sachen aus der Hütte holen. Würden Sie mir dabei helfen?«
    »Darauf können Sie wetten.«
    Percy ließ Orsons leere Augen offen stehen, nahm seine Schrotflinte und folgte mir durch die zerstörte Tür nach draußen in den Schnee. Er rief mir etwas wegen meines Freundes hinterher, doch seine Stimme ging in meinem keuchenden Atem unter, und ich blieb nicht stehen, um mich danach zu erkundigen. Meine Schulter brannte.
    Vor der Hütte stand ein Schneemobil im Leerlauf. Als ich die vordere Tür erreichte, schaute ich zurück und sah, dass Percy, dessen linke Hand seine Seite stützte und dessen rechte Hand die Doppelflinte hielt, knapp fünf Meter hinter mir zurückgeblieben war.
    Ich betrat die Hütte und schloss die Tür hinter mir. Es war so dunkel, dass ich nichts erkennen konnte. So wird Percy auch nichts erkennen. Ich schaute aus dem Fenster und sah im Licht des einen Schneemobilscheinwerfers, wie sich Percy langsam durch den Schnee mühte. Ich wich in den Schatten zurück, damit er mich nicht sehen würde, und dachte: Ich werde ihn nur bewusstlos schlagen. Hier sind Lebensmittel und er ist nicht so schlimm verletzt. Irgendjemand wird schon kommen und ihn suchen. Es gibt keinen anderen Weg. Seine Stiefel hämmerten auf den Treppenstufen. Ich stellte mich neben die Türangeln, um hinter ihm zu sein, wenn er hereinkam.
    »Dave!«, rief er, als die Tür aufschwang. »Was haben Sie gesagt, über…«
    Ammoniak.
    Warmer Atem befeuchtete meinen Nacken.
    Ich drehte mich um und schaute in Luthers Gesicht. Er grinste in die Dunkelheit.

Epilog
     
    Luther begrüßt lächelnd den jungen Morgen. Er schwingt sich aus dem Bett, zieht sich Jeans und zwei Pullover an und geht ins Wohnzimmer. Beim Anblick von Percys gefrorener, dunkelroter Pfütze auf dem Steinboden
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