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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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Hosenanzug sieht zwar nicht so aus, als könne man ihn sich mit Drückerkolonnen-Lohn leisten, aber vielleicht steht er Ihnen einfach nur gut…«
    Sie stutzte, offenbar wusste sie mit dem Begriff »Drückerkolonne« nicht gleich etwas anzufangen. Vielleicht war sie eine Nachbarin von Deborah und mir: Ins feine Westend kamen keine Drückerkolonnen. In der Gutleutstraße dagegen in diesem Jahr schon drei abgerissene, bleiche Kerle: »Wollen Sie super Angebot? Gala, Bunte, Wochenecho? Haben Sie schön zu lesen. Hey, oder geben Sie mir wenigstens ’n Zehner, ich hab seit Tagen nichts gegessen.« Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein armes Schwein versucht, die paar notwendigen Euro zum Überleben bei einem Reichen zu schnorren.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte belustigt: »Nein, nein, keine Angst. Wir sind ein angesehener Literaturverlag. Haben Sie noch nie von uns gehört? Mercedes García ist eine unserer Autorinnen, oder Hans Peter Stullberg, Renzo Kochmeister, Daniela Mita…«
    Sie schaute gerade so erwartungsvoll, dass die mögliche Nichtkenntnis ihrer Autoren mich nicht als völligen Idioten hinstellte.
    Den über sechzigjährigen Stullberg kannte ich von Zeitungsinterviews, in denen er von jungen Menschen die Hinwendung zu alten Werten forderte. Ein Schriftsteller, so dachte ich beim Lesen, drückt sich gerne in Metaphern aus: Der alte Wert war er, und der sich zu ihm hinwendende junge Mensch trug enge Jeans und besaß einen prallen Busen. Von Daniela Mita hatte ich mal in Deborahs Brigitte Fotos gesehen, und womöglich war Stullberg die Idee mit den jungen Menschen und den alten Werten beim Anblick seiner Verlagskollegin gekommen. Gelesen hatte ich von beiden nichts.
    »Tut mir leid. Bei uns liest meine Frau«, sagte ich und musste bei dem darauffolgenden, leicht gequälten Gesichtsausdruck von Katja Lipschitz lachen.
    Ich zwinkerte ihr zu und nickte in Richtung Haustür. »Kommen Sie mit hoch. Ich mach uns ’n Kaffee, in der Zeit können Sie ’n bisschen in meiner kommentierten Proust-Ausgabe blättern.«
    Eine Viertelstunde später saß Katja Lipschitz entspannt in meinem mit weinrotem Samt bezogenen Besuchersessel, ließ ihre langen Beine in den Raum ragen, nippte an der Kaffeetasse und sah sich um. Viel gab es nicht zu sehen: ein leerer Schreibtisch, auf dem ein Laptop stand, ein Regal mit Strafrecht-Nachschlagewerken, vollen und leeren Weinflaschen und einem Tipp-Kick-Zinédine-Zidane aus Plastik, den mir Slibulsky mal geschenkt hatte. An den Wänden hingen mehrere Wasserfarbenbilder von Deborahs inzwischen vierzehnjähriger Nichte Hanna und eine große Bahnhofsuhr, hinter der sich meine Waffenkammer verbarg. Zwei Pistolen, Handschellen, K.O. -Tropfen, Pfefferspray.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Katja Lipschitz und deutete auf die Wasserfarbenbilder.
    »Eine Nichte.« Ich setzte mich zu ihr in den zweiten mit weinrotem Samt bezogenen Besuchersessel. Die Sessel waren ein Überbleibsel aus Deborahs Vergangenheit. Sie hatte ein paar Jahre im ›Mister Happy‹ gearbeitet, einem kleinen, schicken, von einer ehemaligen Hure fair geführten Puff am Mainufer. Als Deborah vor zehn Jahren dort aufhörte, bekam sie die Sessel als Abschiedsgeschenk.
    »Also, was kann ich für Sie tun?«
    Katja Lipschitz sah mich ernst und ein bisschen besorgt an. »Mein Anliegen ist höchst vertraulich. Sollten wir uns nicht einig werden…«
    »Bleibt alles Besprochene unter uns«, beendete ich den Satz und ahnte, was sie beschäftigte. »Vergessen Sie Gregory. Aus der Ecke bin ich nicht. Gregorys Karriere ist am Ende, und sein Manager wollte mit einem Leibwächter noch mal für Aufsehen sorgen. Mit dem Foto haben sie mich reingelegt.«
    »Aha.« Reingelegt ging es ihr schön sichtbar durch den Kopf: Der Typ, den ich für eine heikle Aufgabe engagieren will, wurde von einem allerhöchstens drittklassigen Manager und einem ungefähr zweiundzwanzigstklassigen Bierhallenpornopop-Sänger reingelegt …
    »Ich hatte keine Ahnung, wer Gregory ist«, versuchte ich ihre Zweifel zu zerstreuen. »Der Vertrag kam per Fax, und es schien mir leichtverdientes Geld.«
    »Na schön.« Sie stellte die Tasse ab, schaute noch mal auf eins von Hannas Bildern und gab sich einen Ruck: »Es handelt sich um einen unserer Autoren. Er ist Marokkaner und hat ein Buch geschrieben, das in der arabischen Welt für allerhand Aufregung sorgt. Er wird zur Buchmesse nach Frankfurt kommen und braucht Schutz.« Sie machte eine kurze Pause. »Er
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