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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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trieb Deborah Vier-Zimmer-Küche-Bad im Westend auf und fragte mich, ob ich mit ihr zusammenziehen wolle. Da waren wir seit über sechs Jahren ein zunächst gelegentliches, dann immer entschlosseneres Paar gewesen, und ich nahm den Vorschlag gerne an. Darum brauchte ich ein Büro abseits der Privatwohnung. Falls es noch mal jemand mit Sprengstoff oder sonst wie auf mich abgesehen haben würde, sollte es nicht Deborah treffen.
    Seit der Installierung meiner Webseite waren genau zwei Leute ohne Voranmeldung in die Gutleutstraße gekommen: eine Nachbarin, die wollte, dass ich ihren Bruder im Zusammenhang mit Erbstreitigkeiten zu Zugeständnissen brachte: »Er ist ’n kleiner, feiger, weicher Wurm, Sie müssen ihn nur mal ’n bisschen quetschen«, und ein trauriger Mann, der sich bei einem Pornofilm in ein namenloses Mädchen verguckt hatte und mich bat, sie zu finden, und dem ich vorrechnete, wie viele dunkelhaarige Mädchen es auf der Welt gab, wie viel ihn so eine Suche kosten könnte und wie hoch mein Vorschuss wäre, bis er noch trauriger wieder ging.
    Darum beachtete ich an dem Morgen, als ich von Valerie de Chavannes kam, die Frau kaum, die im Hinterhof gegen ein sonnenbeschienenes Stück Mauer lehnte und geschäftig in ein iPhone sprach. Sie trug einen blauen, teuer wirkenden Hosenanzug und einen modernen Kurzhaarschnitt, vor ihr stand eine große Lederhandtasche, aus der Papiere ragten. Eine Maklerin, dachte ich. Immer wieder gab es Gerüchte, dass das Haus verkauft und abgerissen werden sollte, um einem weiteren Hotel oder Parkhaus in Bahnhofsnähe Platz zu machen.
    Als ich schon den Schlüssel ins Haustürschloss gesteckt hatte und gerade mein Rad schultern wollte, hörte ich hinter mir: »Entschuldigen Sie…! Herr Kayankaya…?«
    Ich ließ das Rad sinken und drehte mich um.
    »Ja?«
    Auf hohen Absätzen, in einer Hand die offenbar schwer gefüllte Tasche, in der anderen das iPhone, stakste sie lächelnd auf mich zu. Sie hatte ein breites freundliches Gesicht, und je näher sie kam, desto deutlicher wurde, wie groß sie war. Fast einen Kopf größer als ich, ohne Schuhe immer noch einen halben, und ich bin nicht klein. Es gefiel mir, dass eine so große Frau auch noch hohe Absätze trug und den kleinen Menschen dieser Welt offenbar keinen Gefallen tun wollte. Sie ließ die Tasche auf den Boden plumpsen, warf das iPhone hinein und streckte mir die Hand entgegen. Auch ihre Hand war groß.
    »Katja Lipschitz, Pressechefin des Maier Verlags.«
    »Kemal Kayankaya, aber das wissen Sie ja schon.«
    »Ich kenne Sie von einem Foto im Internet, darum habe ich Sie erkannt. Der Mann, der Gregory rettete…«
    Wieder lächelte sie, vielleicht ein wenig zu professionell, und hinter dem Lächeln war ein prüfender Blick. Ob mich die Erwähnung des Namens Gregory aus der Ruhe brachte? Gregory hieß eigentlich Gregor Dachstein und hatte vor Jahren eine Big-Brother-Fernsehshow-Staffel gewonnen, danach eine CD mit Titeln wie »Hier kommt dein Weihnachtsmann mit Sack und Rute« und »Sie ist ’ne alte Fo-Fo-Fo-Fotokünstlerin« aufgenommen und tingelte seitdem durch die Diskothekenwelt zwischen Klein Dingsbums und Hintersowieso. Für einen Auftritt in Dietzenbach in der Diskothek ›Höhle‹ hatte mich Gregorys Manager als Leibwächter engagiert mit dem Ergebnis, dass ich Gregory nachts um vier nach ungefähr dreißig Wodka Redbull in die Notaufnahme nach Offenbach bringen musste. Dort wartete ein Reporter der Bildzeitung mit einem Fotoapparat, und ich fragte mich lange, ob der Manager schon vor dem Konzert eine Verabredung mit dem Reporter getroffen und darum den Wodka-Redbull-Konsum seines Schützlings ordentlich gefördert hatte, oder ob ihm die Idee, der Bildzeitung eine kleine Exklusivstory anzubieten, erst während Gregorys Zusammenbruch auf der Bühne gekommen war. Jedenfalls erschien einen Tag später ein Foto von mir mit Gregory und vollgekotzter Jacke, unter dem stand: Giftanschlag? Gregory in den Armen seines Bodyguards auf dem Weg ins Krankenhaus. Ein Auftritt, auf den ich gerne verzichtet hätte.
    Ich erwiderte Katja Lipschitz’ professionelles Lächeln. »Möchten Sie ein Autogramm?«
    »Später vielleicht – unter einen Vertrag. Wollen Sie den Grund meines Besuchs hier…«, sie warf einen kurzen abschätzigen Blick in die Runde: Hinterhof, Einfahrt mit Holzbretttür, Autoverkehr auf der Gutleutstraße, »…draußen erfahren?«
    »Kommt drauf an. Verkauft der Maier Verlag Zeitungsabonnements? Ihr
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