Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes
Autoren: Donald A. Wollheim
Vom Netzwerk:
er?«
    Sie führte ihn in das Wagenlager. Man hatte ein Feuer entfacht, und sein roter Schein tanzte auf den weißen Gesichtern der Frauen, Kinder und Verwundeten. An einer Seite hatte man die Toten ausgestreckt, und der weißhäuptige Lochly von Dagh stand über ihnen und hielt seine Sackpfeife in den Händen.
    Kery kniete an Rhiachs Seite nieder. Die Gesichtszüge des Zauberers wirkten im Tode weniger streng. Das Antlitz machte einen freundlicheren Eindruck, aber es war still – so bleich und still. Und bald wird sich die Erde öffnen, um dich zu empfangen. Man wird dich hier, in einem fremden Land, zur Ruhe betten, wo dein Leben aus deinen Händen schlüpfte. Und die hohen, windigen Seen von Killorn werden dich nie wieder erblicken, o Rhiach, der Pfeifer.
    »Fahre dahin, fahre dahin, mein Vater. Schlafe wohl. Gute Nacht, gute Nacht.« Sanft strich Kery Rhiach das graue Haar zur Seite, beugte sich nieder und küßte ihn auf die Stirn. Man hatte ihm die Pfeife der Götter an die Seite gelegt, und Kery nahm sie und richtete sich auf. Betäubt stand er da und wußte nicht, was er mit dem Ding in seinen Händen anfangen sollte.
    Old Lochly blickte ihm ernst in die Augen. Seine Stimme war so leise, daß man sie im dünn pfeifenden Wind kaum vernehmen konnte. »Jetzt bist du der Broina, Kery, und somit der Pfeifer von Killorn.«
    »Ich weiß«, kam die dumpfe Antwort.
    »Aber du kannst die Pfeifen nicht blasen, oder? Niemand besitzt dieses Wissen. Seit Broina selbst sie von Llugan Longsword im Himmel erhalten hatte, gab es immer einen, der ihr Geheimnis kannte, und dieser eine war der Schild von Killorn. Aber dies ist nun vorbei, und wir sind allein unter Fremden und Feinden.«
    »Das ist nicht gut. Aber wir müssen tun, was wir können.«
    »Aye. Die Schuld ist kaum dein, Kery. Aber ich fürchte, keiner von uns wird jemals wieder aus den stillen Wassern des Sees trinken, an dem ewig die Sonne untergeht.« Lochly führte seine eigene Pfeife an die Lippen, und die wilde Verzweiflung der alten Totenklage wimmerte über das schweigende Lager.
    Kery warf sich die Götterpfeife über die Schulter und begab sich aus dem Lager zu Bram und den Ryvaniern.
    Das Südvolk war zivilisierter, besaß Städte und Bücher und verstand sich auf fremdartige Künste. Die Nordmänner sprachen diesen Menschen jedoch jede Würde ab, weil sie sich ihren Königen bedingungslos unterwarfen. In diesen Gegenden hatten die Menschen schwarzes Haar und schwarze Augen. Ihre Haut war ebenso bleich wie die aller Völker der Dämmerung, während sie von Statur aus kleiner und untersetzter waren als die Bewohner des Nordens. Sie boten einen prächtigen Anblick mit ihren polierten Harnischen, den federgeschmückten Helmen und den rechteckigen Schilden. Ihre Reiter saßen auf kräftigen Pferden; Trompeter und Bannerträger waren zu sehen. Ihre Anzahl übertraf die der Killorner um mehr als das Dreifache, und sie standen in dichten Reihen.
    Als er sich ihnen näherte, dachte Kery daran, daß seine Leute für die Ryvanier auch Invasoren waren. Sollte diese neue Armee sich auf die ermatteten Barbaren stürzen, die gerade ihrer mächtigsten Waffe beraubt worden waren, gäbe es ein Gemetzel. Er richtete sich auf, verdrängte die Gedanken an Rhiach in einen Winkel seines Geistes und schritt mutig voran.
    Aus kürzerer Entfernung konnte er feststellen, daß die Ryvanier trotz ihrer guten Bewaffnung und Ordnung ebenfalls ermattet und staubig waren und viele Verwundeten in ihren Reihen zählten. Hinter ihrer aufrechten Haltung verbarg sich Müdigkeit, und sie boten den Anblick geschlagener Männer.
    Bram und der Dagh, der alte, graue Nessa, verhandelten mit dem Heerführer der Ryvanier, der vor seine Reihen geritten war und mit kalten Augen auf sie herabblickte. Der Heorran hatte sich die riesige Axt auf die gepanzerte Schulter gelegt, hielt aber die freie Hand zum Zeichen des Friedens empor. Als Kery herantrat, wandte er sich kurz um und nickte. »Du tust gut daran zu kommen«, sagte er. »Dies ist eine Angelegenheit für die Führer aller Clans, und du bist jetzt der Broina. Ich traure um Rhiach und noch mehr um das arme Killorn, aber wir müssen uns guten Mutes zeigen, sonst fallen sie über uns her.«
    Kery nickte würdig, wie es einem Oberhaupt geziemte. Jetzt erst traf ihn seine Lage wie ein Schlag. Er war ja nur ein Knabe – es gab Männer unter den Broina, die doppelt und dreifach so alt waren wie er, und er hatte die Führerschaft über sie! Aber Rhiach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher