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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes
Autoren: Donald A. Wollheim
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Drang wuchs in ihm, stehenzubleiben und die Visionen zum Leben zu bringen, zu schaffen und zu erbauen.
    Er kämpfte gegen die Versuchung an, doch dann kam eine Zeit, wo er stehenbleiben mußte, weil er zu müde war, um weiterzugehen. Er sank zu Boden, und die Hoffnungslosigkeit seiner Suche überwältigte ihn. Alor war fort, und er würde sie nie finden. In völliger Verzweiflung hockte er sich nieder, und er barg sein Gesicht in den Händen und dachte an sie. Und mit einem Male hörte er eine Stimme seinen Namen rufen. Er blickte auf, und da war sie und streckte ihm die Hände entgegen.
    Er zog sie an sich und strich ihr über das Haar und küßte sie, fast schluchzend vor Freude, sie wiedergefunden zu haben. Dann überkam ihn plötzlich ein Gedanke, und er wich zurück und fragte: »Bist du es wirklich, Alor, oder nur ein Trugbild meiner Gedanken?«
    Sie gab keine Antwort, sondern hob nur ihren Mund für einen neuen Kuß.
    Heath wandte sich ab, zu müde und niedergeschlagen, um selbst die Vision zu zerstören. Und dann dachte er: »Warum soll ich sie zerstören? Wenn die Frau schon für mich verloren ist, warum soll ich nicht den Traum behalten?«
    Er blickte sie ein zweites Mal an, und alles an ihr gehörte zu Alor.
    Wieder überkam ihn die Versuchung, und diesmal kämpfte er nicht dagegen an. Er war ein Gott – ob er es wollte oder nicht.
    Er warf die ganze Kraft seines Geistes gegen den goldenen Nebel, und der Rausch der Macht machte ihn trunken vor Entzücken.
    Die glühende Wolke wich einem Horizont und einem Himmel. Unter Heaths Füßen wuchs eine Insel aus warmer, süßer Erde, reich an Gras und übersät von Blumen, ein verlorenes Paradies in einem träumenden Meer. Kleine Wellen flüsterten an den weiten Stränden, die hängenden Blätter der Liha -Bäume drehten sich träge im Wind, und farbenprächtige Vögel schwirrten zwitschernd vorbei. In einer kleinen Bucht trieb ein schmuckes Schiff, ein liebliches Ding, das von Engeln selbst hätte gebaut sein können.
    Vollkommenheit, der unerfüllbare Wunsch der Seele. Und Alor war bei ihm, sie mit ihm zu teilen.
    Jetzt wußte er, warum nie einer aus dem Mondfeuer zurückgekehrt war.
    Er nahm die Vision Alors bei der Hand. Er wanderte mit ihr den Strand entlang, und kurz darauf merkte er, daß ihm etwas fehlte. Er lächelte, und dann ritt wieder der kleine Drache auf seiner Schulter, und es gab nicht den kleinsten Fehler in seinem Elysium. David Heath war jetzt ein Gott.
    Doch in irgendeinem verstockten Winkel seines Herzens saß der Verräter. Er sprach: Dies alles ist Lüge, und Alor wartet auf dich. Wenn du zauderst, werden du und sie wie jene anderen sein, deren Leichen lächelnd im Mondfeuer liegen.
    Er wollte nicht hören. Er war glücklich. Doch irgend etwas zwang ihn, zuzuhören, und er erkannte, daß er mit einem Traum nie wirklich zufrieden sein würde, solange die richtige Alor lebte. Er wußte, daß er dieses Paradies zerstören mußte, bevor es ihn zugrunde richtete. Er wußte, daß das Mondfeuer etwas Tödliches war, und daß ein Mensch nicht die Macht der Götter erlangen und bei Verstand bleiben konnte.
    Und doch konnte er die Insel nicht zerstören. Er konnte es nicht!
    Grauen überkam ihn bei der Erkenntnis, daß er sich schon so weit unterworfen hatte, daß er nicht mehr die Kontrolle über seinen eigenen Willen besaß. Und er zerstörte die Insel und das Meer und das liebliche Schiff, und es war härter für ihn, als ob er sich das eigene Fleisch von den Knochen gerissen hätte.
    Und er zerstörte die Vision von Alor.
    Er wußte, daß er, wenn er dem Wahnsinn und dem Tod des Mondfeuers entkommen wollte, nicht einmal einen Grashalm mehr erschaffen durfte. Nichts. Denn er würde sonst nie mehr die Kraft haben, der unheiligen Freude des Schaffens zu widerstehen.
     

7.
     
    Und wieder rannte er rufend durch den goldenen Nebel. Und es mochte ein Jahr oder auch nur einen Augenblick später gewesen sein, als er ganz leise in der Ferne Alors Stimme seinen Namen rufen hörte.
    Er folgte der Stimme. Er rief lauter, aber er hörte nichts mehr. Dann sah er durch den Nebel den gewaltigen Schatten einer Burg vor sich aufragen. Es war eine typische Hochlandfestung, doch sie war größer als die Burg jedes Barbarenkönigs und aus einem einzigen dunkelroten Juwel gebaut.
    Heath erkannte, daß er einen Teil von Brocas Traum sah.
    Stufen aus gehämmertem Gold führten zu einem größeren Tor. Zwei hochgewachsene Krieger hielten Wache. Ihre Harnische
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