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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes
Autoren: Donald A. Wollheim
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Meteor durch die Wolken. Aber ein Gott kann nicht wirklich sterben. Er schläft nur und wartet. Der goldene Nebel ist der Atem, den er ausstößt, und das Leuchten seines Körpers ist das Mondfeuer. Ein Mensch mag göttliche Macht aus dem Herzen des schlafenden Gottes erlangen, doch die Götter der Venus werden ihn verfluchen, weil er nicht das Recht hat, ihre Kräfte zu stehlen.«
    »Und du glaubst die Geschichte nicht?« fragte Heath.
    Alor hob die Schultern. »Du hast das Mondfeuer gesehen. Die Priester nicht.«
    »Ich bin nicht bis zu seinem Herzen vorgedrungen«, sagte Heath. »Ich sah nur den Rand des Kraters und das Licht, das aus ihm steigt – dieses liebliche, höllische Licht.«
    Er verstummte schaudernd und brütete, wie so manches Mal zuvor, über die Wahrheit hinter dem Geheimnis des Mondfeuers. Dann sagte er langsam: »Es hat natürlich einmal einen Mond gegeben, andernfalls könnte diese Vorstellung in der Überlieferung nicht existieren. Ich vermute, daß er radioaktiv war, ein Element, das man noch nicht gefunden hat oder das auf der Erde oder dem Mars nicht existiert.«
    »Ich verstehe nicht«, unterbrach ihn Alor. »Was heißt ›radioaktiv‹?« Sie gebrauchte, wie Heath, das irdische Wort, da es im Venusischen keinen Ausdruck dafür gab.
    »Es ist eine merkwürdige Art von Feuer, wie es in bestimmten Elementen brennt. Es zersetzt sie, es zehrt von ihren eigenen Atomen, und die Strahlung dieses Feuers hat große Kraft.« Er schwieg einen Augenblick. Seine Augen waren halb geschlossen. »Spürst du es nicht?« fragte er. »Das erste kleine Feuer, das in deinem Blut brennt?«
    »Ja«, flüsterte Alor. »Ich spüre es.«
    Und Broca meinte: »Es ist wie Wein.«
    Heath sprach weiter und kleidete die alten Gedanken in Worte: »Der Mond wurde zerstört. Nicht durch den Neid der Götter, sondern durch Kollision mit einem anderen Körper, vielleicht einem Steroiden. Vielleicht brach er auch durch seine eigene Strahlungsenergie auseinander. Ich nehme an, daß ein Fragment davon die Katastrophe überlebte und hier herabfiel und daß seine Strahlung das Meer und die Luft ringsum durchdrang und verwandelte. Sie verwandelt Menschen ebenso. Sie scheint die gesamte elektrische Struktur des Gehirns zu verändern und seine Kraft weit über Menschliches hinaus zu vergrößern. Sie gibt dem Geist eine Willenskraft, die stark genug ist, die freien Elektronen in der Luft zu kontrollieren – Dinge zu schaffen …«
    Er brach ab, dann schloß er leise: »In meinem Fall nur Schatten. Und wenn sich diese Verwandlung vollzieht, dann braucht dieser Mensch den Fluch der Venusgötter nicht mehr. Ich bekam nur ein wenig davon ab, aber es hat gereicht.«
     
    *
     
    »Es ist es wert, Schmerzen zu erleiden, um ein Gott zu werden«, sagte Broca. »Du hattest nicht genug Kraft.«
    Heath lächelte unbestimmt. »Wie viele Götter sind aus dem Mondfeuer hervorgegangen?«
    »Bald wird es einen geben«, antwortete Broca. Dann nahm er Alor bei den Schultern und zog sie an sich und blickte ihr ins Gesicht. »Nein«, fügte er hinzu, »nicht einen. Zwei.«
    »Vielleicht«, sagte Heath, »werden es drei sein.«
    Broca wandte sich und bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Ich glaube nicht«, sagte er, »daß deine Kraft jetzt größer ist als damals.«
    Danach wechselten sie eine lange Zeit kein Wort mehr. Die Ethne glitt weiter, getragen von den langsamen Strömungen zwischen den Inseln. Manchmal skullten sie, und das große Ruderblatt pflügte durch den feurigen Schaum. Das goldene Glühen wurde heller und wuchs, und mit ihm wuchs das singende Feuer in ihrem Blut.
    Heath stand aufrecht und stark am Bug, der alte Heath, der die Straße von Lhiva in den Fängen eines Sommersturms durchsegelt und die Gefahr verlacht hatte. Alle Müdigkeit, alle Pein, alle Schwäche waren fortgewischt. Mit den anderen war es genauso. Alor hielt den Kopf hoch, und Broca schwang sich hinauf zur Galionsfigur und gab einen hallenden Schrei von sich, eine Kampfansage an alle Götter, die ihn aufzuhalten wagten.
    Heath blickte in Alors Augen. Sie lächelte, ein schmerzliches Lächeln voll Tränen und Zärtlichkeit und Lebewohl.
    »Keiner von uns wird dies überleben, glaube ich«, flüsterte sie. »Mögest du deinen Schatten finden, David, bevor du stirbst.«
    Dann hatte sich Broca ihnen erneut zugewandt, und der Augenblick war fort.
    Im Schleier des Mondfeuers gab es weder Nacht noch Tag noch Zeit. Heath hatte keine Vorstellung, wie lange schon der
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