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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes
Autoren: Donald A. Wollheim
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Vorsprung, daß die Lahal fast bis in Bogenschußweite kam. Dann lichtete sich das Schilf, und die Ethne wurde schneller, und plötzlich, ehe sie sich's versahen, waren sie in offenem Wasser.
    Sie schwenkten das Ruder wie Irre, und Heath lenkte die Ethne auf eine Stelle zu, wo, wie er sich erinnerte, eine Strömung nach Norden führte, angezogen von dem Ozean-der-nicht-aus-Wasser-ist. Nach der schrecklichen Mühsal des Schilfes war ihnen, als ob sie flögen. Doch als die ersten Nebel sie einhüllten, war auch die Lahal freigekommen und schoß, mit jedem verfügbaren Mann auf den Ruderbänken, auf sie zu.
    Der Nebel ringsum verdichtete sich. Das schwarze Wasser wurde hier und da von einem goldenen Glitzern erhellt, als huschten Funken unter der Oberfläche vorbei. Kleine flache Inseln tauchten auf, von seltsamen Gewächsen überwuchert. Die Flugdrachen kamen nicht hierher, auch nicht die Wächter oder die kleinen Reptile. Es war sehr heiß und sehr still.
    Durch die Stille hörte man die heiseren Schreie und Flüche, mit denen Vakor die Ruderer anstachelte.
    Die Strömung wurde schneller, und immer heller blitzten die Goldflecken im Wasser. Heaths Gesicht trug einen seltsamen Ausdruck. Die Ruderschläge der Lahal peitschten die Wellen, und Bogenschützen standen jetzt schußbereit auf dem Vorderdeck und warteten darauf, daß die Ethne in Reichweite kam.
    Dann geschah das Unglaubliche. Vakor stieß einen gellenden Schrei aus, und die Ruder hielten an. Vakor hob beide Arme über den Kopf, die Hände zu Fäusten geballt und schleuderte ihnen ein schreckliches Wort der Verwünschung nach.
    »Ich werde warten, ihr Frevler! Wenn auch nur einer von euch überleben sollte – ich werde hier sein und warten.«
    Das grüne Segel im Kielwasser der Ethne wurde kleiner, verblaßte und verschwand im Nebel.
    »Sie hatten uns«, sagte Broca. »Warum haben sie gehalten?«
    Heath hob die Hand. Vor ihnen glühte der ganze nebelverhangene Norden in einem Dunst aus brennendem Gold.
    »Das Mondfeuer.«
     

5.
     
    Dies war der Traum, der Heath in den Wahnsinn getrieben, der Alpdruck, der ihm im Nacken gesessen, die Erinnerung, die ihn trotz des Grauens und des sicheren Untergangs zurückgetrieben hatte. Jetzt war es Wirklichkeit, und sie ließ sich nicht mehr vom Traum unterscheiden.
    Und wieder sah er, wie die See sich wandelte, bis die Ethne nicht mehr auf dem Wasser trieb, sondern in einer goldenen Flüssigkeit, die ihren Rumpf mit Wellen sanften Feuers umspülte. Und wieder hüllte ihn schimmernd und glühend der Nebel ein.
    Er spürte den ersten leichten prickelnden Schauer in seinem Blut, und er wußte, wie es weitergehen würde, ein trügerischer Sinnestaumel, der sich bis zur Ekstase und weiter bis zum unerträglichen Schmerz steigerte. Er sah die verschwommenen Schatten der flachen Inseln, ein Labyrinth, durch das ein Schiff ewig irren konnte, ohne die Quelle zu finden, aus der sich dieses Wunder lebendiges Lichts ergoß.
    Er sah die Gebeine von Schiffen, die auf der Suche vom Tod ereilt worden waren. Sie lagen in den Inselbuchten, und der Nebel bedeckte sie wie ein helles Leichentuch. Es waren nicht viele. Einige waren so alt, daß das Volk, das sie erbaut hatte, aus der Erinnerung der Venus verschwunden war.
    Die schweigende, unirdische Schönheit schnürte Heath das Herz zusammen, und er litt Todesangst und war doch erfüllt von Verlangen, von einem schrecklichen Hunger.
    Broca schöpfte tief Atem, als wolle er die Kraft aus dem Mondfeuer heraussaugen.
    »Kannst du es wiederfinden?« fragte er. »Sein Herz?«
    »Ich denke schon.«
    Alor stand reglos und stumm. Sie schien ganz aus Silber in diesem Licht und mit Goldstaub überzogen.
    »Hast du Angst davor, das Tabu zu brechen?« sprach Heath sie an.
    »Eine Gewohnheit bricht man nicht leicht.« Sie wandte sich ihm zu und fragte: »Was ist eigentlich das Mondfeuer?«
    »Haben es dir die Priester nicht erzählt?«
    »Sie sagen, daß die Venus einmal einen Mond gehabt hätte. Er hing in den Wolken wie eine feurige Scheibe, und der Gott, der darin wohnte, war der Herr über alle anderen Götter. Er überblickte die Oberfläche des Planeten und sah alles, was darauf geschah. Aber die geringeren Götter waren neidisch, und eines Tages gelang es ihnen, den Palast des Mondgotts zu zerstören. Der ganze Himmel der Venus stand in Flammen. Berge stürzten, Meere traten über ihre Ufer, und ganze Völker gingen unter. Der Mondgott wurde getötet, und sein leuchtender Körper fiel wie ein
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