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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes
Autoren: Donald A. Wollheim
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sterben. Er war erfüllt von einer großen Kraft und einer großen Freude. Jetzt konnte er seine Ethne zurückbringen, um mit ihr zusammen im goldenen Garten des Mondfeuers zu leben.
    Denn hier mußte es geschehen. Er war sich dessen klar. Vorher war er nur am Rand des Mondfeuers gewesen, doch er glaubte nicht, daß das der einzige Grund war, warum er nur Schatten erschaffen konnte. Dort war die Konzentration der reinen Energie, auf die die telekinetische Kraft des Geistes wirkte, zu gering.
    Vermutlich gab es nicht einmal in den äußeren Bereichen des Mondfeuers genug freie Elektronen; hier jedoch, nahe der Quelle, wimmelte die Luft von ihnen. Der Rohstoff der Materie, dem der Geist Struktur und Form verlieh.
    David Heath stand auf. Er hob den Kopf und streckte sehnsüchtig die Arme aus. Aufrecht, mächtig und stark stand er in dem lebendigen Licht, und sein dunkles Gesicht war das Antlitz eines glücklichen Gottes.
    »Ethne«, flüsterte er. »Ethne.« Dies ist nicht das Ende des Traumes, sondern der Beginn!
    Und sie kam.
    Durch die Kraft, die triumphierende Stärke, die in ihm war, brachte Heath sie aus dem Mondfeuer zu sich. Ethne, schlank und lächelnd, zuerst nur ein verschwommener Schatten im Nebel, dann deutlicher werdend; so kam sie auf ihn zu. Er sah ihre weißen Arme, das helle Feuer ihres Haars, ihren roten Mund, süß und verwegen, den sehnsüchtigen Blick in ihren Augen …
    Und mit einem Schrei fuhr er zurück. Es war nicht Ethne, die vor ihm stand. Es war Alor.
    Eine Zeitlang war er keiner Bewegung fähig, sondern starrte auf das, was er geschaffen hatte. Die Erscheinung lächelte ihn an, und ihr Gesicht war das Gesicht einer Frau, die die Liebe gefunden hat.
    »Nein«, sagte er. »Dich habe ich nicht gewollt. Ich will Ethne!« Er verbannte Alor aus seinen Gedanken, und das Bild verblaßte. Ein zweitesmal rief er Ethne zu sich.
     
    *
     
    Und als sie kam, war es nicht Ethne, sondern Alor.
    Er zerstörte die Vision. Zorn und fast unerträgliche Enttäuschung trieben ihn auf eine ziellose Wanderung durch den Nebel. Alor, Alor! Warum suchte dieses Weib aus den Tempelgärten in dieser Stunde seine Gedanken heim?
    Er haßte sie, doch ihr Name sang in seinem Herzen und ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Er konnte nicht vergessen, wie sie ihn geküßt hatte und wie ihre Augen damals geleuchtet und wie ihr letzter verzweifelter Schrei ihm gegolten hatte.
    Er konnte nicht vergessen, daß sein Herz ihr Bild geschaffen hatte, während nur sein Verstand, sein Oberbewußtsein, Ethnes Namen rief.
    Er setzte sich nieder, legte den Kopf auf die Knie und weinte; denn er wußte jetzt, daß dies das Ende seines Traumes war. Ohne es zu wissen, hatte er seine alte Liebe endgültig verloren. Es war grausam, aber wahr. Er mußte sich damit abfinden.
    Und Alor war vielleicht schon tot.
    Dieser Gedanke riß ihn aus seiner Trauer für das, was vorbei war. Er sprang auf. Entsetzen erfüllte ihn. Einen Moment blickte er wild um sich; der Nebel war wie goldenes Wasser, so daß er nur wenige Meter weit sehen konnte. Dann begann er zu laufen, und er rief dabei ihren Namen.
    Eine Zeitlang, die an jenem zeitlosen Ort Jahrhunderte hätte dauern können, rannte er durch den Nebel und suchte nach ihr. Auf seine Rufe kam keine Antwort. Manchmal sah er eine undeutliche Gestalt im Nebel hocken und dachte schon, er hätte sie gefunden, doch jedesmal war es die Leiche eines Mannes, der seit langem schon tot war. Sie glichen einander. Sie waren ausgemergelt, als seien sie verhungert, und alle lächelten. In ihren offenen Augen schienen sich verlorene Visionen zu spiegeln.
    Das also waren die Götter des Mondfeuers – die Handvoll Männer aus allen Zeitaltern, die sich bis zu diesem letzten Ziel durchgekämpft hatten.
    Heath sah die Grausamkeit der Ironie. Ein Mann könnte göttliche Macht in diesem goldenen See finden. Er konnte sich in ihm eine eigene Welt schaffen. Doch er konnte nie wieder fort, ohne nicht auch die Welt zu verlassen, in der er König war. Diese Männer mußten das erkannt haben, als sie von der Quelle fort und zurück zum Hafen wollten.
    Oder steckte vielleicht noch mehr dahinter? Hatten sie vielleicht gar nicht versucht, zurückzukehren?
    Heath ging weiter durch den herrlichen, ewigen Nebel. Er rief Alors Namen und bekam keine Antwort. Er merkte, wie es ihm immer schwerer fiel, sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Halbgeformte Bilder flackerten vage vor seinen Augen. Seine Erregung steigerte sich, und ein
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