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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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Edelstein am Tatort verloren haben. Dieses Duell ist ein Kampf zwischen Recht und Unrecht.«
    »So geht denn«, sagte der Abt. »Bis der Kampf entschieden ist, seid Ihr von allen Pflichten befreit.« Denn diese Gottesurteile dauerten manchmal einen ganzen Tag, so lange, bis keiner der Kontrahenten mehr sehen, stehen oder zuschlagen konnte, so daß schließlich einer von beiden zusammenbrach, sich nicht mehr erheben konnte und einfach verblutete. Und selbst wenn die Waffen zerbrachen, mußten sie mit Händen und Füßen weiterkämpfen, bis die Kräfte erlahmten und einer um Gnade bettelte; das geschah allerdings selten, denn die Niederlage wurde als Urteilsspruch des Himmels gedeutet, der sogleich am Galgen vollstreckt wurde – ein schmählicherer Tod als der auf dem Kampfplatz. ›Eine schlimme Sache ist das‹, dachte Cadfael, als er durch das Klostertor ging, ›und nicht wert, sie als ein Urteil Gottes zu bezeichnen. Habe ich also weniger Vertrauen in Gott als Beringar? Ich frage mich, ob er wirklich gut geschlafen hat.‹ Seltsamerweise konnte er es sich vorstellen. Sein eigener Schlaf dagegen war sehr unruhig gewesen.
    Giles Siwards Dolch und den dazugehörigen Edelstein hatte er gestern abend mitgenommen und in seiner Zelle verwahrt. Dem Fischerjungen hatte er versprochen, er werde ihn entweder zurückbekommen oder aber eine angemessene Entschädigung erhalten. Mit Aline hatte er noch nicht über diese Sache gesprochen. Er mußte erst das Ergebnis des Kampfes abwarten. Wenn alles gut ging, sollte Beringar ihr den Dolch übergeben. Wenn nicht – nein, an diese Möglichkeit durfte er nicht denken.
    ›Der Ärger mit mir ist‹, dachte er unglücklich, ›daß ich weit genug in der Welt herumgekommen bin, um zu wissen, daß Gottes Pläne, wie unermeßlich weise sie auch sein mögen, sich nicht immer mit unseren Wünschen decken. Und ich weiß auch, wie sehr ich mich dagegen auflehnen würde, wenn es Gott gefallen sollte, Hugh Beringar zu sich zu rufen und Adam Courcelle am Leben zu lassen.‹
    Die Burgsiedlung vor dem nördlichen Stadttor von Shrewsbury war ein kleiner Vorort der Stadt. Jenseits dieser kleinen Siedlung lagen rechts und links der Straße nur noch Wiesen, die, wie die Stadt selbst, zu beiden Seiten von einer Schleife des Severn eingefaßt waren. Auf der ersten flachen Wiese links der Straße hatten die Soldaten des Königs ein großes Rechteck abgesperrt; an jeder Seite stand eine Reihe flämischer Söldner, die ihre Lanzen gekreuzt hielten, damit kein Zuschauer den Kampfplatz betreten und keiner der Kämpfenden fliehen konnte. Auf einer kleinen Anhöhe war ein Sessel für den König aufgestellt worden, und von dort aus würden auch die Adeligen den Verlauf des Kampfes verfolgen. Hinter der Absperrung drängten sich jetzt schon die Bürger der Stadt. Die Nachricht von diesem Gottesurteil hatte sich wie ein Lauffeuer in Shrewsbury verbreitet. Das Merkwürdigste an dieser Menge war ihre Ruhe. Es wurde natürlich gesprochen, aber in einem so verhaltenen Flüsterton, daß nur ein leises, stetiges Summen, nicht unähnlich dem eines Bienenschwarmes, über dem Platz lag.
    Die schräg einfallende Morgensonne warf lange Schatten, und der Himmel war von einem leichten Wolkenschleier bedeckt.
    Cadfael stand an dem Weg, den die Wachen für den König und die Adligen freihielten, als in der dunklen Öffnung des Tores plötzlich glänzende Rüstungen und leuchtende Farben zu sehen waren. König Stephen begab sich an der Spitze seiner Gefolgschaft zum Kampfplatz. Das Duell würde ihn eines Offiziers berauben. Er hatte eingesehen, daß dies die beste Lösung des Problems darstellte, und er war entschlossen, nichts zuzulassen, was den Kampf unnötig verlängert hätte. Es würde keine Ruhepausen und keine Einschränkung der Mittel geben. König Stephen wollte diese Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Nach ihm kamen die beiden Kämpfer. Sie trugen weder Schild noch Rüstung, sondern nur ein einfaches Lederwams. Ja, dem König war an einem schnellen Ende gelegen, und nicht an einem gerechten Turnier, das den ganzen Tag währte, so lange, bis einer von beiden nicht mehr die Kraft hatte, die Hand zu heben. Morgen würde die Armee aufbrechen und der Vorhut folgen, ganz gleich, wer Sieger geblieben war, und Stephen hatte vor dem Abmarsch noch entsprechende Anordnungen zu treffen. Beringar, der Ankläger, kniete zuerst vor dem König nieder und erwies ihm seine Ehrerbietung, sprang dann auf und wandte
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