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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
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zur Stadt hin vereinigten. Aussätzige hatten nicht nur die belebten Straßen der Städte zu meiden, sondern mußten auch auf dem Land beim Betteln auf Abstand achten. Der heilige Ägidius, ihr Schutzpatron, hatte sich freiwillig für ein Leben in der Wüste, fern von allen Menschen, entschieden, aber diesen bemitleidenswerten Menschen blieb gar nichts anderes übrig, als sich abzusondern.
    Es war jedoch offensichtlich, daß sie ebenso neugierig waren wie alle anderen, denn auch sie standen am Zaun und beobachteten die Straße. Warum sollte diesen armen Menschen nicht wenigstens erlaubt sein, einen Blick auf ihre vom Glück mehr begünstigten Mitmenschen zu werfen, sie zu beneiden, wenn es zu mehr nicht reichte, oder ihnen, wenn ihre Großzügigkeit das zuließ, eine glückliche Ehe zu wünschen?
    Die Gestalten in den langen, dunklen Gewändern, die am Zaun standen, waren ebenso aufgeregt wie die Gesunden, die in der Klostersiedlung warteten, wenn sie sich auch nicht so behende bewegten wie diese. Cadfael kannte manche von ihnen - sie hatten sich hier niedergelassen und versuchten, aus dem beengten Dasein, das sie hier mit ihren vertrauten Helfern fristeten, das Beste zu machen. Andere aber waren neu hier.
    Immer gab es Neuankömmlinge - Wanderer, die rastlos das Land durchzogen, von einem Hospital zum anderen, oder sich für eine Weile unter dem Schutz eines Heiligen in einer Einsiedelei niederließen. Manche, deren Füße durch die Fäulnis verkrüppelt oder von schmerzhaften Geschwüren bedeckt waren, gingen an Krücken oder stützten sich schwer auf einen Stock. Ein oder zwei knieten auf niedrigen Wägelchen. Ein anderer, dessen Körper mit Geschwüren übersät war und der die Kapuze tief über das entstellte Gesicht gezogen hatte, hockte zusammengesunken am Zaun, und einige, die noch in der Lage waren, ohne fremde Hilfe zu gehen, verbargen ihr Gesicht hinter einem Tuch, das nur die Augen freiließ.
    Die Zahl der Kranken schwankte. Die rastlosen unter ihnen zogen weiter, machten einen Bogen um Städte und Dörfer und tauchten in einer anderen Gegend, in einem anderen Hospiz wieder auf. Alles in allem beherbergte dieses Hospital immer zwanzig bis dreißig Aussätzige. Zu ihrer Pflege bestimmte der Abt einen Klosterbruder. Auch andere Mönche oder Laienbrüder durften sich, wenn sie es wünschten, um die Kranken kümmern. Es kam vor, daß diese Pfleger sich ansteckten, und dennoch herrschte nie Mangel an Freiwilligen, die ihre Stelle einnahmen.
    Auch Cadfael hatte ein Jahr oder länger diesen Dienst getan, und er empfand keine Abscheu und hielt sich mit Mitleid zurück, denn er hatte festgestellt, daß Achtung den Kranken am meisten half und sie mehr ermutigte als alles andere.
    Außerdem ging er hier so regelmäßig ein und aus, daß seine Besuche eine ebenso vertraute und ständige Routine geworden waren wie die Teilnahme am Gottesdienst. Er konnte sich nicht erinnern, wie viele schlimme Wunden er verbunden hatte, und bei vielen Aussätzigen, um die er sich gekümmert hatte, hatte er mitfühlende Herzen und wache Geister gefunden. Außerdem hatte er, bevor er das Mönchsgelübde abgelegt hatte, an Schlachten teilgenommen - das war während des ersten Kreuzzuges gewesen, als es ihn bis nach Akkon und Askalon und Jerusalem verschlagen hatte -, und dabei hatte er Todesarten gesehen, die schlimmer waren als jede Krankheit, und hatte Heiden kennengelernt, die weit barmherziger waren als Christen. Cadfael wußte, daß es Krankheiten des Herzens und Geschwüre der Seele gab, die bösartiger waren als jene, die er hier mit Breiumschlägen und Kräutern behandelte. Er war auch nicht über die Maßen überrascht gewesen, als Bruder Mark beschloß, in seine Fußstapfen zu treten. Er ahnte, daß Mark, auch ohne sein Beispiel, noch einen Schritt weiter gehen würde. Bruder Cadfael kannte sich selbst zu gut, um nicht nach dem Priesteramt zu streben, aber er erkannte einen zukünftigen Priester, wenn er ihn vor sich hatte.
    Bruder Mark hatte ihn kommen sehen und schritt eilig auf ihn zu. Sein offenes Gesicht strahlte, und sein strohfarbenes Haar stand um die Tonsur nach allen Seiten ab. Er führte einen mageren kleinen Jungen an der Hand, der unter seinem dünnen blonden Haar einige alte, halb verheilte Wunden hatte.
    Vorsichtig legte Bruder Mark die einzige noch verbleibende wunde Stelle frei und betrachtete stolz sein Werk.
    »Ich bin froh, daß du gekommen bist, Cadfael. Ich habe fast keine Mauerkrauttinktur mehr, und du
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