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Bruchlandung

Bruchlandung

Titel: Bruchlandung
Autoren: Matthias P. Gibert
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verströmte das Gebläse wieder wohlige Wärme.
    Sein Blick fiel auf die Digitaluhr im Armaturenbrett.
    3:15 Uhr. Noch gut vier Stunden, dann würde er im Bett liegen.
    Kempf war nun schon ziemlich lang unterwegs. Na ja, vielleicht hatte er sich ja bei dem Sauwetter auf die Schnauze gelegt und musste sich erst mal den Schnee aus den Klamotten klopfen. Bei dem Gedanken, wie sein Kollege sich fluchend und schimpfend auf die Beine kämpfte, musste er herzhaft lachen.
    Fünf Minuten später, mit einer neuen Zigarette zwischen den Fingern, war seine Schadenfreude einer leichten Besorgnis gewichen. Der Besorgnis, dass Kempf vielleicht irgendetwas passiert sein könnte, denn so lang hatte der noch nie gebraucht für den Weg zu diesem Stempler und zurück. Selbst bei diesem Scheißwetter war das mehr als ungewöhnlich.
    Für einen Augenblick geisterte ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sein Freund und Kollege diesmal ernsthaft sauer auf ihn sein könnte wegen seiner Kritik, doch das schloss er sofort wieder aus. Außerdem war Walter Kempf viel zu bequem, um in diesem Schneetreiben so etwas wie Stolz zu entwickeln. Er wartete weitere fünf Minuten, in denen seine Besorgnis sich allerdings mit jeder Sekunde ein klein wenig steigerte, zog den Schlüssel aus dem Schloss, griff nach der starken Taschenlampe auf dem Rücksitz und stieg langsam aus dem Wagen.
    »Walter?«, rief er in die Stille der Nacht, schaltete die Lampe an und richtete den Strahl über die Motorhaube auf den Weg, den sein Kollege genommen haben musste, was jedoch keine gute Idee war, weil die Schneeflocken das helle Licht so stark reflektierten, dass er mehr geblendet wurde, als etwas erkennen zu können. Also senkte er die Leuchte nach unten, sodass er den jeweils ersten Meter vor seinen Füßen sehen konnte, und stapfte, innerlich fluchend, los.
    Direkt neben dem rechten Vorderrad des Volkswagens fiel er das erste Mal hin, weil er eine unter der Schneedecke verborgene Senke in der Fahrbahn nicht gesehen hatte. Noch angestrengter lautlos fluchend rappelte er sich hoch, sammelte die starr in die entgegengesetzte Richtung strahlende Lampe auf und setzte seinen Weg fort.
    »Verfluchte Scheiße, Walter, wenn das ein Witz sein soll, dann ist er saublöd. Komm verdammt noch mal runter und steig in das bekackte Auto. Ich habe echt keine Lust, mir wegen dir eine Erkältung zu holen.«
    Seine laut und wütend ausgestoßenen Worte klangen wegen des starken Schneefalls dumpf und frei von jeglichem Echo.
    »Walter!«
    Wieder rutschte er auf dem steilen Weg aus und schlug der Länge nach hin. Die Lampe segelte erneut zu Boden, wobei diesmal allerdings Glas und Glühbirne laut scheppernd zerbarsten. Schlagartig war es stockfinster um ihn herum, und in diesem Moment lief Theo Stark ein Schauer über den Rücken. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen die Brust, und sein Mund war staubtrocken.
    »Verdammt, Walter, nun hör mit diesem Scheiß auf! Ich hab mir echt wehgetan und brauche deine Hilfe.«
    Das war zwar gelogen, aber er hoffte, dass der Appell seinen Kollegen dazu bringen würde, dessen saublödes Spiel zu beenden.
    Der Wachmann lauschte in die Nacht, doch außer ein wenig Geknister des sich abkühlenden Lampenglases neben sich gab es nichts zu hören. Also rollte er sich zur Seite, zog die Beine an und stand ein paar Sekunden später wieder auf seinen Füßen. Mit der rechten Hand griff er zu seinem privaten Schlüsselbund, ertastete die daran befestigte kleine LED-Taschenlampe, drückte auf den gummierten Druckknopf und richtete den schwachen, bläulich schimmernden Strahl nach unten.
    »Scheiße«, murmelte er leise, nachdem er kaum seine Schuhspitzen erkennen konnte, setzte jedoch trotzdem vorsichtig den linken Fuß vor den rechten.
    Während er langsam, bei jedem Schritt nach Unebenheiten oder sonstigen Hindernissen tastend, seinen Weg fortsetzte, überkam ihn ein Anflug von Panik. Für einen Sekundenbruchteil schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass es wesentlich gescheiter wäre, zurück zum Wagen zu stapfen und dort zu warten, doch er schob diese Idee sofort von sich weg.
    »Walter!«, brüllte er ein weiteres Mal in den Schnee, und wieder blieb es um ihn herum beängstigend still.
    Nun hatte er die Anhöhe mit dem darauf stehenden Containerpark erreicht. Die Steilheit des Geländes ließ nach, und kurz darauf hatte er die erste der etwa 40 in Reihe stehenden Baubuden erreicht. Direkt neben dem Eingang zu diesem, als Nummer 1 bezeichneten Container der
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