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Bruchlandung

Bruchlandung

Titel: Bruchlandung
Autoren: Matthias P. Gibert
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Bauleitung befand sich der Stempelautomat, und spätestens dort würde auch sein Kollege auf ihn warten. Zumindest hoffte Theo Stark das sehr, sehr intensiv.
    Der Schweiß lief ihm mittlerweile in Strömen den Rücken hinunter, seine Hände waren ebenfalls klatschnass, und in seinem Mund befand sich noch immer kaum Speichel. Als er am Eingang zu Nummer 1 angekommen war und den matten Schein seiner kleinen Taschenlampe nach oben richtete, hörte er hinter sich ein Geräusch. Er hob den Kopf und lauschte. Wieder das gleiche Geräusch. Schnee, der von Schuhen zusammengepresst wurde.
    »Du verdammtes Arschloch!«, brüllte Stark. »Was glaubst du, was wir hier machen? Räuber und Gendarm spielen?«
    Der Wachmann drehte sich um und leuchtete in die Nacht, doch außer tanzenden Schneeflocken konnte er nichts erkennen. Er holte tief Luft und wollte gerade eine erneute Schimpftirade loslassen, als er mit dem rechten Fuß gegen etwas auf dem Boden Liegendes stieß. Er wollte es wütend zur Seite kicken, doch der Gegenstand zu seinen Füßen bewegte sich keinen Millimeter.
    »Hör jetzt auf und lass uns abhauen«, rief er in die Dunkelheit, während er den Strahl seiner Lampe nach unten richtete, um zu sehen, was dort gegen jede auf der Baustelle geltende Sicherheitsvorschrift herumlag.
    Zunächst erkannte er im schwachen LED-Licht nur so etwas wie ein Bündel oder einen Sack, doch als er sich ein wenig in die Knie begab und genauer hinsah, stockte ihm das Blut in den Adern und er begann, laut und voller Panik zu schreien.
    »Walter? Was ist denn mit dir?«
    Walter Kempf lag auf der Seite. Am oberen Ende seines Kopfes befand sich ein dunkler Fleck im Schnee, und in genau dem Sekundenbruchteil, in dem Kempf erkannte, dass es sich dabei um das Blut seines Kollegen handelte, das aus einer großen, hässlichen Wunde an dessen Stirn austrat, ertönte hinter ihm erneut das Geräusch eines Schrittes im frischen Schnee.
    Warum er es tat, wusste der Wachmann nicht, vermutlich war es einfach eine Instinkthandlung, doch er ließ sich nun zur Seite fallen und rollte seinen Körper in den Schnee. Seine Lampe warf er in Richtung des Containers Nummer 1. Noch bevor sein massiger Körper allerdings zur Ruhe gekommen war oder er eine weitere Bewegung hätte planen können, wurde die Stille von dem Knall eines Schusses zerrissen, der sich wie eine Explosion in Starks Trommelfellen ausbreitete. Gleichzeitig wurde sein rechter Oberschenkel auf eine ihm unwirklich erscheinende Art in Bewegung gesetzt, deren Urheber nicht er selbst gewesen war, und nur Bruchteile einer Sekunde später wurde sein gesamter Organismus von einer massiven Schmerzwelle erfasst.
    Erneut schrie er auf, doch diesmal drang nur ein lang gezogenes, gurgelndes » Aaahhhh« aus seinem Mund. Gleichzeitig griff er sich an den rechten Oberschenkel, der gleichzeitig taub war und brannte wie Feuer.
    Was … ?, wollte er in die Dunkelheit brüllen, doch sein Mund war komischerweise noch immer mit dem Schmerzensschrei beschäftigt. In diesem Moment zuckte etwas rötlich Schimmerndes an seinen Augen vorbei und blendete ihn. Rasend vor Panik realisierte Theo Stark, dass ihn dieses merkwürdige Licht getroffen hatte, obwohl er sonst keine Helligkeit wahrnahm. Und er wusste, was es war. Jemand hatte ihn mit einem Laserstrahl geblendet. Oder besser, markiert.
    Schemenhaft erkannte er, dass eine Gestalt auf ihn zu trat und sich zu ihm hinunter beugte.
    »Wenn du leben willst, sagst du mir jetzt, wo dieser verschissene Brief ist, Theo.«
    Stark hätte am liebsten, so laut er konnte, losgebrüllt, doch er wusste, dass ihn niemand hören würde. Und den Mann, der noch immer über ihm kauerte, würde das nicht im Geringsten beeindrucken.
    »Zehn Sekunden, Theo. Zehn Sekunden, die über dein Leben oder deinen Tod entscheiden. Neun …«
    »Hör zu, wir vergessen das Ganze am besten. Ich vergesse es, und du vergisst es. Dann …«
    »… sieben.«
    Über Theo Starks Wange lief in diesem Moment eine Träne. Er wusste nicht, ob der Impuls, zu weinen, von den Schmerzen im Bein ausgelöst worden war, und er wusste auch nicht, ob es die Todesangst war, die bis in die letzte Faser seines Körpers Besitz von ihm ergriffen hatte. Aber er wusste, dass der Mann, der sich nun erhob und erneut mit dem Laser seine Stirn ins Visier nahm, ihn töten würde, wenn er nicht redete.
    »Warte, warte, ich sag es dir!«, schrie der Wachmann völlig hysterisch, wobei er sich den rechten Arm vor den Kopf hielt, als
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