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Bruchlandung

Bruchlandung

Titel: Bruchlandung
Autoren: Matthias P. Gibert
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dann lass mich ans Steuer, aber heul mir nicht die Ohren voll.«
    »Nein, das will ich auf gar keinen Fall. Lieber ziehe ich allein die Ketten auf, als dich Irren ans Lenkrad zu lassen. Du fährst uns eher tot, als dass dabei etwas Gescheites herauskommt. Und davon, dass du im Moment keinen Führerschein und dem Boss davon nicht mal was gesagt hast, will ich gar nicht erst reden.«
    Er gab vorsichtig Gas und lenkte den Kombi um eine Ecke. Dann bremste er erneut ab, fuhr neben einen völlig zugeschneiten Radlader und drehte den Zündschlüssel ein wenig nach links, sodass der Motor zwar abstarb, das Standlicht und das leise dudelnde Radio jedoch eingeschaltet blieben.
    »Dann viel Spaß, mein Freund«, stieß er mit einem Blick nach draußen hämisch grinsend aus.
    »Ich warte noch ein paar Minuten, vielleicht lässt der Schneefall in der Zwischenzeit ja ein bisschen nach.«
    Der Mann auf dem Beifahrersitz griff in die Innentasche seiner dick wattierten Dienstjacke, kramte umständlich eine Packung Zigaretten daraus hervor und hielt seinem Kollegen das geöffnete Päckchen hin, der sich wortlos nickend bediente.
    »Eigentlich habe ich schon ewig keinen Bock mehr auf diese Scheiße mit den ewigen Nachtschichten und so«, erklärte Kempf genervt, nachdem beide eine Weile schweigend geraucht hatten. »Meine Jungs wachsen auf, ohne dass ich was davon mitkriege, und mit einer Frau hatte ich zuletzt vor einem halben Jahr etwas.«
    Er schnippte die Asche in die Lade in der Mittelkonsole.
    »Und beklaut hat mich die verdammte Nutte danach auch noch.«
    »Ich weiß«, erwiderte Stark leise. »Ich kenne die Geschichte. Irgendwie kenne ich alle deine Geschichten, Walter.«
    »Was soll denn das nun wieder heißen? Geh ich dir etwa auf die Nerven, oder was?«
    »Nein«, meinte Stark beschwichtigend, »du gehst mir damit nicht direkt auf die Nerven. Aber irgendwann solltest du schon mal eine neue Platte auflegen.«
    »Ach, der Herr meint also, ich sollte mal eine neue Platte auflegen?«, schnaubte Kempf. »Der Herr, der mir ständig die Ohren damit voll heult, wie sehr es ihn nervt, dass seine Olle ihn rausgeworfen hat, und dass er ihr morgen ganz bestimmt zeigt, wo der Hammer hängt, fühlt sich von mir vollgequatscht.«
    Er drückte die halb gerauchte Zigarette in den Aschenbecher, zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und öffnete wütend die Beifahrertür.
    »Leck mich doch, du verdammtes Arschloch«, drang noch ins Innere des Wagens, bevor die Tür mit gehörig Schwung ins Schloss krachte.
    Theo Stark kannte diese Ausbrüche seines Kollegen. Immer wieder in den vergangenen 15 Jahren, so lang arbeitete er schon mit ihm zusammen im Wachschutz, war es zu solchen Zwistigkeiten gekommen. Und immer war es so, dass nach spätestens zehn Minuten alles vergeben und vergessen war. Kempf würde nun seinen Weg zum Stempelautomaten gehen, dabei noch eine Zigarette rauchen, ein bisschen laut und leise vor sich hin fluchen, zum Auto zurückkehren und kein Wort mehr über die Sache verlieren.
    Bist schon manchmal ein echtes Arschloch , würde er vielleicht freundschaftlich grinsend sagen, aber das wäre auch schon das höchste der Gefühle. Dann würde er vermutlich wieder das Hohelied auf Bayern München anstimmen, seinen Leib- und Magenverein, der allerdings, zu Kempfs Leidwesen, aktuell in der Bundesligatabelle nur auf dem dritten Platz stand.
    Der Wachschutzmann griff in die Mittelkonsole, drehte das Radio ein wenig lauter und zündete sich eine weitere Zigarette an.
    Klar hätte er auch gern einen anderen Job als den eines Wachmanns im Nachtdienst. Und klar würde er für sein Leben gern seine Frau mal wieder so richtig ran nehmen, aber das ging nun einmal alles nicht so einfach, nicht, nachdem sie ihm den Koffer vor die Tür gestellt hatte. Und sie hatten immer noch gemeinsam das Haus am Backen, von dem noch nicht einmal ein Drittel ihnen gehörte.
    Er zog an der Zigarette und streifte die Asche ab.
    Das Leben war nun mal kein Ponyhof, das wusste einer wie er nur zu genau. Einer, der außer einem Hauptschulabschluss und einer abgebrochenen Lehre als Schweißer auf dem Arbeitsmarkt nichts, aber auch gar nichts zu bieten hatte. Irgendwie musste er doch mehr als froh darüber sein, sich überhaupt die Nächte auf irgendwelchen Baustellen um die Ohren schlagen zu dürfen. Immer noch besser als Hartz IV, oder?
    Weil ihm die Kälte langsam die Beine hochkroch, ließ er den Motor an und regelte die Heizung auf volle Stufe. Sofort
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