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Brown, Dale - Schattenpilot

Brown, Dale - Schattenpilot

Titel: Brown, Dale - Schattenpilot
Autoren: Dale Brown
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Erinnerungen. Die Konzentration auf sein Boot, die See und das Überleben im eisigen Meer vor Oregon, während der Wind auffrischte, würden ihn von den vernachlässigten Überresten seines Lebens, das ihm genommen worden war, ablenken. Der Gedanke, vielleicht einen kurzen Blick auf eine vorbeiziehende Schule von Walen werfen zu können, war so aufregend, dass er wenig später in raschem Tempo die lange kiesbestreute Auffahrt hinunterfuhr, um rasch ans Wasser zu kommen.
    Die Fahrt auf dem Highway 101 zu dem kleinen Jachthafen unmittelbar südlich der Yaquina Bay Bridge dauerte nicht lange. Der Laden dort hatte soeben aufgemacht, deshalb ließ er sich die Thermosflasche mit heißem Kaffee füllen und packte seine Kühltasche mit Obst, Orangensaft und ein paar lebenden Sardinen als Köder voll. Er war kein großer Angler, aber das störte ihn nicht weiter - hätte er irgendetwas gefangen, was in den leer gefischten Gewässern vor Oregon unwahrscheinlich war, hätte er den Fisch vermutlich wieder freigelassen. Er füllte einen Zettel aus, auf dem stand, wohin er wollte und wie lange er unterwegs sein würde — fast wie ein Flugplan vor einem Einsatz -, steckte ihn in den mit Gone Fishin' bezeichneten Kasten neben der Tür und ging auf die Pier hinaus.
    Sein Boot, einen dreißig Jahre alten, 9,75 Meter langen Grand Banks Sedan, hatte er mit dem größten Teil seiner Ersparnisse und sechzig angesammelten ungenützten Urlaubstagen gekauft, für die er von der U. S. Air Force entschädigt worden war. Der nicht aus Fiberglas, sondern aus philippinischem Mahagoni gebaute schwere kleine Trawler ließ sich gut allein steuern und lag bei Wellenhöhen bis zu eineinhalb Metern sicher im Wasser. Er hatte einen einzigen Lehman-Dieselmotor, einen überdachten Steuerstand, achtern im Cockpit viel Platz für Angler, einen großen Salon mit zweitem Steuerstand, Sitzgelegenheiten und Bordküche und eine Bugkabine mit Toilette, Dusche und zwei v-förmigen Kojen mit guten, aber nach Fisch riechenden Schaumstoffmatratzen.
    Er stellte den Seefunk ein, um den Wetterbericht und die Seegangmeldungen von WXi, dem Wettersender der Küstenwache in Newport, zu hören, während er die Segeltuchabdeckungen entfernte, seine Ausrüstungen überprüfte und alles klar zum Auslaufen machte. Für ihn war das noch immer die »Vorflugkontrolle« seines Schiffs, obwohl er heute bestimmt nicht schneller als zehn Knoten »fliegen« würde. Dann fuhr er zur Tankstelle hinüber, füllte die Treibstoff- und Wassertanks, fuhr vom Jachthafen in die Yaguina Bay hinaus und erreichte wenig später die offene See.
    Bei leichtem Nieselregen wehte eine frische Brise, aber der Mann enterte in den Steuerstand auf, um ein besseres Gefühl für die See zu bekommen. Hier draußen betrug die Sichtweite drei bis vier Seemeilen, aber neun Meilen weiter nördlich war der Leuchtturm Otter Rock zu sehen. Die Wellen waren ungefähr dreißig Zentimeter hoch, kurz und kabbelig mit ersten kleinen Schaumkronen, und es war kühl und feucht - für Oregon geradezu typisches Frühsommerwetter. Er steuerte nach Nordwesten und kontrollierte mit einem gelegentlichen Blick zum Leuchtturm hinüber, ob er das Fischereigebiet schon erreicht hatte.
    Als er anfing, mit seinem Boot aufs Meer hinauszufahren, hatte er eine ganze Reisetasche mit einem GPS-Empfänger, mehreren Handfunkgeräten und Seekarten für fast die gesamte Westküste mitgebracht, weil er sich so auf einen Flug vorbereitet hätte. Nach zehn Fahrten konnte er mit Kompass und Tachometer navigieren und ließ den GPS-Empfänger zu Hause; nach fünfzehn Fahrten genügten Kompass, Drehzahlmesser und Strömungen; nach zwanzig kam er allein mit dem Kompass aus; nach fünfundzwanzig Fahrten orientierte er sich an Landmarken und danach reichten sein Gespür und die Beobachtung von Vögeln und Walen aus. Jetzt konnte er unbesorgt und bei praktisch jedem Wetter überallhin fahren.
    Der Mann dachte darüber nach, ob vielleicht auch die Fliegerei so sorglos unkompliziert sein könnte, wie Schriftsteller wie Richard Bach und Stephen Coonts, die selbst Piloten waren, sie beschrieben, aber seine über zehntausend Flugstunden waren nie so verlaufen. Für jeden Flug musste es einen Flugplan mit präzisen Vorgaben für jedes Ereignis und einer vorgeschriebenen Route geben. Zu jedem Einsatz gehörten eine Wetterberatung, eine Zielanalyse und eine Einsatzbesprechung, auch wenn die Besatzung den Einsatz schon hundertmal geflogen hatte. Den Flug planen,
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