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Brown, Dale - Schattenpilot

Brown, Dale - Schattenpilot

Titel: Brown, Dale - Schattenpilot
Autoren: Dale Brown
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größere Gruppe bildete die Kuomintang mit ihren nominellen Koalitionspartnern, der Neuen Partei, der Partei Junges China und den Chinesischen Demokratischen Sozialisten. Ihnen gegenüber standen die Mitglieder der Demokratisch-Progressiven Partei, einer liberaler und moderner eingestellten Partei mit jungen, energischen, ziemlich idealistischen Mitgliedern. Obwohl der rechte Flügel aus der KMT und ihren Trabanten weit größer war, gaben beide Seiten sich an Lautstärke nichts.
    »Meine lieben Mitbürger, bitte«, sagte Lee erneut. Als er sah, dass seine Aufforderung erfolglos blieb, befahl er schließlich das Eingreifen der Sicherheitsbeamten. Sie stellten die Ordnung rasch wieder her. »Danke. Wir kommen jetzt zum wichtigsten Punkt unserer heutigen Tagesordnung.« Huang trat respektvoll rechts hinter den Präsidenten; diese kleine Demonstration erregte sofort Aufmerksamkeit und bewirkte, dass im Saal Ruhe herrschte. Lee fuhr rasch fort: »Diese Wahl signalisiert auch ein hohes Maß an politischer Übereinstimmung in unserer Regierung, meine Freunde - ein Bündnis konkurrierender patriotischer Gruppen, dessen Entstehen längst überfällig war. Diese neue Koalition zwischen KMT und DPP bildet die Grundlage unseres Stolzes auf unsere Leistungen und unsere Stellung in der Welt. Nun wird es Zeit, unsere Einigkeit und unseren Stolz aller Welt offen zu demonstrieren.«
    Präsident Lee ließ den lärmenden Beifall einige Zeit zu, bevor er weitersprach: »Mit bescheidenem Stolz und großer Freude legen Ministerpräsident Huang und ich der Nationalversammlung heute ein Gesetz zur Änderung der Verfassung der Republik China vor, das vom Zentralkomitee der Kuomintang entworfen, vom Verfassungsausschuss abgeändert und heute von der Gesetzgebenden Kammer einstimmig verabschiedet worden ist. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Verfassungsänderung zu ratifizieren.
    Das Gesetz ändert unsere Verfassung, indem es feststellt, dass die Republik China mit den Inselgruppen Formosa, Quemoy, Matsu, Makung, Taiping und Tiaojutai eine selbstständige, souveräne und unabhängige Nation ist, die keiner anderen untersteht oder angehört, und für immer unabhängig bleiben soll. Das Volk der Republik China verzichtet hiermit auf alle Verbindungen und Ansprüche auf Immobilien, sonstigen Besitz, legale Ansprüche und Rechtsprechung auf dem Festland. Wir werden stets darum beten, eines Tages mit dem Vaterland wieder vereinigt zu werden, aber bis dieser Tag kommt, verkünden wir hiermit, dass die Republik China ein selbstständiger Staat mit sämtlichen Rechten und Pflichten ist, die freie und souveräne Staaten überall auf der Welt genießen. Das Gesetz zur Änderung unserer Verfassung wird hiermit zur Abstimmung gestellt. Wer unterstützt meinen Antrag?«
    »Ich bin stolz darauf, diesen Antrag zu unterstützen«, rief der neue Ministerpräsident Huang Chouming unter stürmischem Beifall. Huang und die DPP haben seit vielen Jahren für eine derartige Unabhängigkeitserklärung gekämpft, und ihr Erfolg, dieses Gesetz durchgebracht zu haben, war das wichtigste Ereignis in der Geschichte Nationalchinas.
    Die Einbringung dieses Gesetzes bedeutete, dass die prinzipielle »Ein-China«-Philosophie der Kuomintang, die Dr. Sun Yat-sen formuliert hatte, während er gemeinsam mit General Tschiang Kaischek nach dem Ersten und im Zweiten Weltkrieg darum gekämpft hatte, China aus dem Würgegriff der Japaner zu befreien, und die immer wieder verkündet worden war, seit die Nationalisten 1948 von den Kommunisten nach Taiwan vertrieben worden waren, so gut wie beendet war. Es hatte immer die Hoffnung gegeben, irgendwie könnte es gelingen, das Festland aus den Klauen des Kommunismus zu befreien, aber Volk und Regierung sagten jetzt, diese Hoffnung sei hinfällig. Das Festland konnte sich eines Tages der reichen und mächtigen Republik China anschließen - aber bis dahin würde Taiwan über sein Schicksal selbst bestimmen.
    Der Jubel im Saal war ohrenbetäubend; der Beifall und die Kundgebungen in den Gängen dauerten fast zehn Minuten lang. Eine kleine Gruppe KMT-Mitglieder, die weiter gegen eine Verfassungsänderung war, versuchte im Saal eine neue Schlägerei anzuzetteln, aber ihr Zorn und ihre Empörung konnten nicht ungeschehen machen, was Lee durch jahrelange Überredung und geschickte Koalitionen ermöglicht hatte.
    Hier ging es um mehr als nur die Verkündung eines Traumes. Dies war eine an alle Welt, aber besonders an die Volksrepublik China,
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