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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition)
Autoren: Amanda Kyle Williams
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Aber was soll’s? Ich passe schon auf, dass du dir nicht die Kante gibst. Na los, bestell dir einen Scheißdrink.»
    «Das ist die schlechteste Idee des ganzen verdammten Tages.»
    Sie griff in ihre Handtasche und ließ kurz ein Glasröhrchen mit einem schwarzen Deckel sehen. «Ich hab ein bisschen Koks dabei. Würde eine Line helfen?»
    So ist meine Miki, denkt immer an andere. «Wohl kaum», antwortete ich mit mehr Abscheu, als ich ihr zeigen wollte. Wir alle schauten Miki seit Jahren bei ihrer unaufhaltsamen Selbstzerstörung zu. Ich war es echt leid. Ich hatte das alles selbst durchgemacht. Den Leuten, die uns spiegeln, gegenüber ist es mit unserer Toleranz nie weit her, oder?
    Ich bestellte einen Traubensaft und erntete das gleiche Grinsen, das ich mir meistens gefallen lassen muss, wenn ich in einer Bar einen Traubensaft bestelle. Sie hatten natürlich keinen. «Okay, wie sieht’s mit Pepsi light aus?» Ein paar Leute starrten mich an. Pepsi in einer Coca-Cola-Stadt zu bestellen war Hochverrat.
    «Wir haben Cola light», erwiderte der Barkeeper.
    Ich entschied mich für ein Mineralwasser mit Zitrone, und Miki bestellte einen Wodka Martini, extra dirty . Wir gingen nach hinten durch zu einem freien Sofa mit Couchtisch. Im Raum verteilt standen lackierte Kirschholztischchen mit Schachbrettern. Und obwohl unser langer heißer Sommer in vollem Gange war, hatte man die Klimaanlage so eiskalt eingestellt, dass die Gaskamine die Luft wieder aufwärmen konnten. Von meinem Platz aus hatte ich einen guten Blick auf die im sanften Licht schimmernde Bar mit ihren Spiegeln. Ich schaute Miki an und versuchte, die Male an ihren Armen zu übersehen. Die dicken horizontalen Streifen aus weißem Narbengewebe erinnerten daran, wie verzweifelt sie gewesen war und wie zutiefst unfähig, sich selbst zu lieben. Es waren bestimmt acht oder zehn Schnitte an jedem Arm. An meiner Porzellanpuppen-Cousine wirkten sie besonders martialisch. Sie hatte vorhin die langen, schwarzen Handschuhe verbrannt, mit denen sie die Narben verdeckt hatte. Vielleicht war sie ja jetzt so weit, sie anzuschauen. Nicht zum ersten Mal war ich froh darüber, dass die DNA, die Mikis psychische Gesundheit ebenso vergiftet hatte wie die ihrer Mutter – vielleicht hatte sie sogar gelegentlich mit dem Glück meiner Adoptivmutter geflirtet –, nicht auch durch meine Adern rauschte. In Mutters Familie gab es etliche Fälle von Schwermut, über die der Mantel des Schweigens gebreitet wurde. Bei uns in den Südstaaten gibt keiner offen zu, wenn er an Depressionen leidet. Doch Florence und Miki hatten mit ihrem unverhohlenen und mitunter öffentlichen Kranksein die Familiengeheimnisse ans Licht gezerrt. Zum Glück war Miki jedes Mal rechtzeitig gefunden worden, wenn sie sich die Pulsadern aufgeschlitzt oder einen Haufen Pillen geschluckt hatte – von einem selbsternannten Aufpasser, einem Groupie, von jemandem aus dem Heer von Männern und Frauen, die sie wie hungrige Möwen umschwirrten. Sie konnten nicht anders. Eine strahlende, brillante, düstere und emotional unerreichbare Frau ist unwiderstehlich für die Dämonen und Obsessionen co-abhängiger Helfer und Masochisten. Mikis Krankheit inspirierte sie.
    «Was sollte das mit den Handschuhen?», wollte ich wissen. Wir hatten uns zurückgelehnt, Drinks in der Hand, Beine übereinandergeschlagen, und blickten uns an.
    «Dieser Teil meines Lebens ist vorüber.»
    «Nimmst du deine Medikamente?»
    Miki schüttelte den Kopf. «Ich kann so nicht leben. Ich kann nicht betäubt durchs Leben gehen. Ich kann einfach nicht.»
    Ja klar. Koks und Alkohol betäuben natürlich überhaupt nicht. Sie war vermutlich auf einem manischen Höhenflug mit Aufputschmitteln und Alkohol. Ich fragte mich, ob der Einbruch in ihr Haus Tatsache, Einbildung oder reine Erfindung war. Offenbar sah sie mir meine Bedenken an.
    Sie beugte sich vor und flüsterte: «Ich glaube, ich verfolge jemanden. Ich weiß nur nicht genau, wen.»
    Ich starrte sie verständnislos an.
    «Ach, komm schon, Keye. Entspann dich. Das war ein Witz.»
    Stresshormone fingen an, mir durch die Blutbahnen zu jagen. Mein Blick fiel auf den Martini. Er war trübe und kalt. Meine Speicheldrüsen arbeiteten auf Hochtouren. Ich wollte nicht hier sein. Was soll’s? … Na los, bestell dir einen Scheißdrink.
    Eine vollbusige Brünette mit einem altmodischen Zigarettenbauchladen kam vorbei und strebte in Richtung Zigarrenlounge, wo sie Spitzen abknipsen und Cognacs nachschenken
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