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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition)
Autoren: Amanda Kyle Williams
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Treffen wir uns im Gabe’s. Ich muss Leute um mich haben. Und ich brauche einen Drink.»
    Ich nahm meinen Füller und biss darauf. Ich brauchte auch einen Drink, verdammt.
    «Keye, bitte», sagte Miki, und da hörte ich etwas zum ersten Mal: echte Angst in der Stimme meiner Cousine.
    Neun Minuten später fuhr ich auf den kleinen Parkplatz gegenüber vom Gabe’s an der Juniper Street. Der Laden war eine Mischung aus Kaminbar und Restaurant, mit Plüschsesseln, viel Platz zum Entspannen und einer Zigarrenlounge – so ein Lokal, wo Single Malt in genau der richtigen Temperatur serviert wird. Im Frühling und Sommer gab es Gourmet-Tapas auf der großen Veranda, die bis an die Straße reichte und einen Blick auf die verbaute Skyline bot, die Gäste drängten sich dort bis zum späten Abend. Das 14th Street Playhouse, das Alliance Theatre, die Symphony Hall und das Fox Theatre, alle diese Spielstätten versorgten das Gabe’s mit hipper Kundschaft, Multitasker, die sich mit dir unterhalten können und dabei gleichzeitig simsen, ihren Facebook-Status aktualisieren und die Weinkarte twittern.
    Ich sah einen Menschenauflauf auf dem Parkplatz, als ich nach einer Lücke für den Impala suchte. Mein Instinkt sagte mir, dass Miki der Auslöser war. Ständig musste sie eine Show abziehen. Wann immer ich mit ihr aus gewesen war, stets hatte sie eine Entourage um sich, treue Anhänger, die sich in ihrem Glanz sonnen wollten. Auf diese Weise hielt sie alle auf Distanz und konnte gleichzeitig die Bewunderung genießen, die sie brauchte.
    Ich parkte, bezahlte beim Parkwächter und ging in Richtung der Leute. Die Menge gut angezogener Menschen öffnete sich gerade so weit, dass ich die zarte Gestalt meiner Cousine in der Mitte sehen konnte. Als ich näher kam, roch ich Verbranntes und bemerkte ein kleines Feuer aus Zweigen und Laub und irgendetwas aus Stoff. Ich blieb am Rand stehen.
    «Ihre schwarzen Handschuhe», flüsterte die Frau neben mir ehrfürchtig. Aha, die schwarzen Handschuhe. Erklärung überflüssig. Jeder in Mikis Leben kannte diese Handschuhe. Sie waren ein fester Bestandteil ihrer Depressionsrituale geworden. Ich glaube, wir hatten alle irgendwann mal gehofft, die Dinger zu tragen, würde Miki als Ausdruck ihres Unglücks genügen und sie davon abhalten, sich wieder selbst zu verletzen. Aber die Handschuhe hatten bloß als Warnung gedient. Irgendwer fand Miki dann in der Wanne, auf dem Fußboden, im Bett – mit aufgeschnittenen Pulsadern und so viel Barbituraten im Blut, dass selbst Keith Richards beeindruckt gewesen wäre.
    Ich schob mich durch die Gruppe und sah Miki vor dem schwelenden Häufchen stehen. Jemand reichte ihr ein Sektglas. Sie hob das Glas dramatisch, als das letzte bisschen Stoff im Feuer zusammenschrumpfte. Jubel brach aus, während sie das Glas in einem Zug leerte.
    Sie sah mich, lächelte und rief: «Ich hab die Kurve gekriegt, Keye. Der Vorhang hat sich geöffnet.» Und dann trat sie aus dem Kreis und ließ ihre Fans ohne ein Wort stehen. Sie umarmte mich und flüsterte: «Sei heute Abend mein Date. Beschütz mich vor den Wölfen.»
    Ich hakte mich bei ihr ein, und wir überquerten die Juniper Street, schlängelten uns zwischen den Tischen auf der voll besetzten Veranda hindurch und gingen ins Gabe’s. Der erste Hauch von Tequila und Limette umarmte mich wie ein alter Freund. Inzwischen hab ich die meiste Zeit eigentlich nicht mal mehr Lust auf einen Drink. Nicht, wenn ich nachdenke. Aber es gibt Auslöser – ein Geruch, ein bestimmtes Glas, Geselligkeit –, da fängt mein Suchthirn fleißig an, die Erinnerungen zu romantisieren, zum Beispiel wie der erste Schluck des Tages den Stress lindert, wie ein guter Tawny Port nach dem Essen sich im Mund anfühlt und der Geschmack auf den Lippen bleibt. Dann spüre ich, dass meine Abstinenz auf der Kippe steht. Ich fühlte eine prickelnde Wärme im Nacken. Ich musste dringend wieder zu den Anonymen Alkoholikern. Natürlich hatte ich auch das sträflich vernachlässigt, wie so vieles.
    Miki trug ein schwarzes Kleid, das ab den Knien ausgestellt war, eher Judy Jetson als Audrey Hepburn, und Overknee-Stiefel. Sie stellte sich neben mich an die Bar und sah mir forschend ins Gesicht. Wir mussten aussehen wie ein Liebespaar, was Miki garantiert einkalkuliert hatte. Auch so eine Methode, sich ihre Anhänger vom Leib zu halten.
    «Alles in Ordnung?», fragte sie und fuhr dann fort, ohne mir Zeit zum Antworten zu geben. «Ach so, klar. Das mit dem Alkohol.
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