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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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der uns in den Jahrhunderten so viel Unheil gekommen ist, als Gefahrenherd endgültig beseitigt wird.«
    Paul Vonwegh bleibt der größte Teil dieser blutigen Tage erspart. Bald nach dem Durchbruch des alten Panzers gerät er mit seiner Spitze in einen Hinterhalt und verteidigt sich, da er keine andere Wahl hat, buchstäblich bis zur letzten Patrone.
    Schon sind seine Leute im Nahkampf mit den Rebellen, da sieht er Kortetzkys Handgranate und schleudert sie unter die Angreifer. Er stellt noch fest, daß sie nicht explodiert, springt auf. Da kommt der Schlag. Schulterdurchschuß. Erst Stunden später, als er aus der ersten Ohnmacht erwacht, erfährt er, daß die Handgranate nicht detonieren konnte, da sie mit Brillanten und Schmuckstücken gefüllt war, die der Gorilla in Warschau zusammengeplündert hatte. Daß die Polen in diesem Moment zufällig von hinten angegriffen wurden, rettete den Rest seiner Männer, die ihn zu einem Verbandsplatz zurückbringen.
    So landet Paul Vonwegh beim Troß, versorgt und betreut. Noch immer keine Nachricht von Karen, noch immer die Ungewissheit, ob sie dem Frauenlager entkommen ist. Es gibt Stunden, da der Kompaniechef verbittert ist über sein Luxusschicksal, das ihn die Agonie Warschaus im Bett erleben läßt, weil es ihm auch Zeit gibt, an Karen zu denken, von ihr zu träumen, sich nach ihr zu sehnen …
    Dann steht der Spieß vor ihm. »Na«, sagt Müller-Würzbach, »du bist gar nicht so dumm …«
    »Wieso?« geht Vonwegh auf seinen Ton ein.
    »Du hast ihn ganz schön fertiggemacht …«
    »Wen?«
    »Brillmann.« Der Spieß lächelt wissend. »Er wurde von Rebellen geschnappt, aufgehängt … gestern gefunden und identifiziert.: Hast du doch gefingert?«
    »Brillmann ist tot?« fragt Vonwegh erregt und spürt einen frischen Stich in der alten Wunde.
    »Tu doch nicht so«, versetzt Müller-Würzbach blinzelnd. »Die Sache bleibt schon unter uns …«
    Paul Vonwegh atmet schwer, denn er kämpft gegen eine primitive Genugtuung. Er spürt, wie ihn sein alter Widersacher Wulf-Dieter Brillmann noch aus dem Grab ein letztesmal in Versuchung bringen will …
    Warschau stirbt.
    Unendlich langsam, tapfer und in ihr Schicksal ergeben verblutet die polnische Hauptstadt.
    Bis zur letzten Stunde, zur letzten Patrone, zum letzten Seufzer setzen Männer, Frauen und Kinder auf die Befreiung durch die Rote Armee. Aber die Spitze der Sowjettruppen blieb auf Stalins Befehl während des ganzen Aufstandes im nördlichen Vorort Praha stehen, Gewehr bei Fuß und dazu verurteilt, sich den Untergang unmittelbar mitansehen zu müssen.
    Im Feuer betrunkener, randalierender SS-Sträflinge und mordender russischer Hiwis erstickt der letzte Widerstand.
    Bald werden Schutt und Asche das kollektive Schicksal dieser Stadt besiegeln: Blut, Leid, Tränen …
    Gerade als die Leichenfledderer Kaminski und Dirlewanger zum Endspurt ansetzen, um mit ihren SS-Stiefeln die letzten Funken des Aufstands auszutreten, werden sie zurückgepfiffen. In seiner sprunghaften Art faßt Hitler mit Rücksicht auf das Ausland den Entschluß, die überlebenden Rebellen als reguläre Kriegsgefangene nach der Haager Landkriegsordnung zu behandeln, um dann in der Wochenschau vorzuführen, wie ›human‹ er eigentlich ist …
    Der Propagandacoup macht die plündernden Sonderbrigaden vorübergehend ›arbeitslos‹. Sie werden von Warschau abgezogen.
    Und Dirlewanger, der Mann mit der Krähenvisage, der SS-Offizier in einer Uniform, die an seinem hageren Körper schlottert, als hätte er sie gestohlen, hat einen Vorgesetzten, der dem Führerhauptquartier schreibt: »SS-Oberführer Dr. Dirlewanger … hat durch seine wiederholten Taten gezeigt, daß er zu den Tapfersten der Tapferen gehört. Ich schlage ihn deshalb zur Verleihung des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes vor. Gez. Reinefarth.«
    Hitler folgt dem Vorschlag des SS-Gruppenführers Reinefarth, der später, 1958, als Abgeordneter des Gesamtdeutschen Blocks/BHE in den Landtag von Schleswig-Holstein einziehen wird …
    Die Meldungen vom Untergang Warschaus nach einem letzten, verzweifelten Ausbruchsversuch gehen in der zweiten Septemberwoche 1944 durch die Presse in aller Welt. In Deutschland sind die Schlagzeilen rot wie Blut, im Ausland schwarz wie die Sargdecken.
    Auch in neutralen Ländern wie Schweden weiß man, was es bedeutet, daß in Warschau dem Waffenlärm die Grabesruhe folgte. Wo Menschen zusammenstehen, bespricht man in diesen Tagen das Unfaßbare. Das Mädchen
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